Konkret 08/98, S. 36  

gruppe demontage  

Befreiung in Zeiten des Postfordismus I  

Viele halten das Multilaterale Investitionsschutzabkommen (MAI) für eine neue Gemeinheit des Kapitals. Es ist aber nur die Fortschreibung des fünfzig Jahre alten General Agreement an Tarifs und Trade (Gott) unter den Bedingungen des Postfordismus. Teil 1 einer 5-teiligen Serie über nationale Befreiungsbewegungen in der One World
 

Vom Fordismus zum Postfordismus  

Anfang der 20er Jahre setzte sich nicht nur in den kapitalistischen Zentren, sondern auch in der Peripherie der Fordismus als hegemonialer Vergesellschaftungstyp durch. Die fordistische Produktion basierte auf einer technokratischen Arbeitsorganisation, dem nach Frederick Taylor benannten Taylorismus, der den Arbeitsprozeß in seine Einzelteile zerlegt, um ihn genauer analysieren und so rationell wie möglich gestalten zu können. Im Rahmen dieser Intensivierung der Arbeit wurde die Fließbandproduktion von Massengütern entwickelt, die Arbeitsteilung innerhalb der Fabrik ausgedehnt und das Produktionswissen von den Facharbeitern auf Techniker und Ingenieure übertragen. Die Kontrolle der Lohnarbeiter wurde sowohl durch die Organisation des Arbeitsprozesses, z. B. den hohen Arbeitstakt der Fließbandproduktion, als auch durch ein quasi-militärisches Aufsichtssystem durchgesetzt. Die enorm ansteigende Produktivität begründete eine weltweite Vormachtstellung fordistischer Gesellschaftsformationen.  

Mitte der siebziger Jahre geriet dieses System in die Krise. Die übermäßige Ausdehnung der Administration der kapitalistischen Unternehmen und passiver Widerstand der Lohnarbeitenden gegen den monotonen und intensiven Arbeitsprozeß senkten die Produktivität, der nach tayloristischen Prinzipien zentral organisierte Maschinenaufbau verhinderte eine kontinuierliche Verbesserung des Produktionsablaufes, die starre, fließbandgebundene Massenproduktion erschwerte die Anpassung an die Nachfrageschwankungen des Massenkonsums.  

Seit den 80er Jahren wird deshalb in den Metropolen die Durchsetzung neuer Formen der Arbeitsorganisation und der gesellschaftlichen Regulation vorangetrieben. Die jeweiligen Strategien richten sich nach den spezifischen Bedingungen in den einzelnen Regionen. Wo deren Geschichte von Arbeitskämpfen geprägt ist, werden andere Strategien verfolgt als in den traditionellen Wohlfahrtsstaaten. Die USA und England modernisieren auf neo-tayloristische Weise: durch Lockerung der rigiden Arbeitsorganisation, neue Produktionstechnologie, Lohnsenkung und Entlassungen. Das japanische Modell, der sogenannte Toyotismus, kombiniert einen hoch flexibilisierten Arbeitsmarkt bei den Zulieferern mit einem Arbeitsmarkt in den Kernbetrieben, der die Lohnarbeiter sehr stark in die Produktionsprozesse integriert und gegenüber anderen privilegiert. Oberstes Ziel der toyotistischen Arbeitsorganisation ist die ständige Verbesserung der Qualität der Produkte und die Erhöhung der Produktivität. Qualitätszirkel, in denen das praktische Produktionswissen der Arbeitenden gesammelt wird, Betriebsgewerkschaften, Entlohnung nach Leistung und Dauer der Betriebszugehörigkeit unterwerfen die Lohnarbeiter einem intensivierten Arbeits- und Verwertungsprozeß.  

Das Normalarbeitsverhältnis wird auf dem dualen, segmentierten Arbeitsmarkt des Postfordismus von Arbeitsverhältnissen abgelöst, die die Belegschaften in Kein- und Peripheriearbeiter aufspalten. Die Peripheriearbeiter werden häufig als Subunternehmer angestellt und ausschließlich nach Erfolg bezahlt. Das ermöglicht ein Absenken der durchschnittlichen Lohnrate. Der nationalen Aufspaltung der Arbeiter entspricht eine internationale: Die Arbeitenden werden weltweit miteinander in Konkurrenz gesetzt und bleiben zugleich sozial und politisch voneinander getrennt. Schon innerhalb der EU existieren unterschiedliche Regulationsmodelle: In England etwa der blairsche Thatcherismus mit seiner umfassenden Deregulierungspolitik, in der BRD dagegen ein autoritär-korporatistischer Wohlfahrtsstaat. In der Semi-Peripherie wiederum muß häufig erst das Recht gewerkschaftlicher Organisierung erkämpft werden. Der Mobilitätsvorsprung des global agierenden Kapitals gegenüber den bestenfalls national organisierten Arbeitern stärkt die Macht des Kapitals so sehr, daß emanzipatorische Kämpfe im nationalen Rahmen kaum noch geführt werden können.  

Trotz aller Unterschiede verfügen die Staaten der kapitalistischen Zentren und der Semi-Peripherie in Asien oder Lateinamerika über ein vergleichbares Grundmuster. Regulierte im Fordismus die Nachfrage die Produktion, übernimmt es nun der »nationale Wettbewerbsstaat« (Joachim Hirsch), die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Produktion zu gewährleisten. Gefördert wird, statt Investitionen und Konsum, das Angebot; Sozialpolitik und nationaler Arbeitsmarkt werden den Anforderungen des internationalen Wettbewerbs angepaßt.  

Nationalstaaten bzw. regionale Zusammenschlüsse wie die Europäische Union reagieren auf die internationale Konkurrenzsituation, indem sie sich gewissermaßen als kapitalistische Unternehmen begreifen und ihre politischen Strukturen zu autoritär geführten Hierarchien umbauen - eine Tendenz, die sich exemplarisch in den sogenannten Tigerstaaten der südostasiatischen Wachstumsregion zeigt, aber nicht nur dort: Da im Postfordismus die Polarisierung zwischen arm und reich zunimmt, muß der fordistische Sozial- und Überwachungsstaat in einen autoritären, populistisch gestützten Polizeistaat umgewandelt werden. In den USA ist diese Entwicklung so weit fortgeschritten, daß Wohngebiete wohlhabender Bürger mit Privatpolizei gegen den Rest der Bevölkerung abgesichert werden müssen.  

Diese Ausrichtung der Politik bedeutet nicht, daß die Nationalstaaten keine Strukturpolitik mehr betreiben. Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werden beispielsweise der Aufbau von innovativen Kleinunternehmen unterstützt, technologische Entwicklungen gefördert, Schutzrechte von Arbeitern abgebaut und marginalisierte Arbeitsverhältnisse vermehrt. Der Nationalstaat löst sich also nicht auf, sondern gestaltet die Rahmenbedingungen, die von den multinationalen Konzernen nicht geschaffen werden können: die Infrastruktur, die patriarchale Reproduktion und die politische Stabilität. Beim postfordistischen Wettbewerbsstaat handelt es sich deshalb nicht um eine Auflösungsform des bürgerlichen Staates, sondern um eine neue Form der »Durchstaatlichung« und »Nationalisierung«.  

Auch das Abhängigkeitsverhältnis zwischen kapitalistischen Metropolen und Peripherien löst sich keineswegs auf. Auch im Postfordismus werden die Formen der Akkumulation und Regulation in den Ländern der Peripherie von den imperialistischen Metropolen geprägt und erhalten.
 

Umbrüche in der Peripherie: Das Beispiel Mexiko  

Bis in die 80er Jahre hatten zahlreiche Länder des Südens versucht, eine eigenständige und vom Weltmarkt abgeschottete Industrie aufzubauen. In Mexiko ist es der PRI-Regierung und ihrer Entwicklungsdiktatur jahrzehntelang gelungen, die politischen und ökonomischen Handlungsspielräume des Fordismus zu nutzen und sich relativ eigenständig als Schwellenland zu entwickeln. Grundlage hierfür war die Nationalisierung der Erdölindustrie 1938 und die darauf basierende Staatswirtschaft. Durch Beteiligung an den so erwirtschafteten Gewinnen konnten größere Teile des Proletariats und der Landbevölkerung in Staat und Nation eingebunden werden. Durch Importsubstituierung wurde die eigene Industrie vor der Konkurrenz des Weltmarktes geschützt. Dies machte eine staatliche Wirtschaftsregulation und die Integration der Unterklassen über korporativistische Massenorganisationen notwendig - bei gleichzeitiger Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung, insbesondere der indigenisierten, rassistisch stigmatisierten Gruppen. Eine dauerhafte Arbeitslosigkeit von etwa 50 Prozent zeigt, daß es sich im falle Mexikos um eine Gesellschaft handelt, in der knapp die Hälfte der Bevölkerung auch zu den Zeiten des Sozialstaates mexikanischer Prägung marginalisiert blieb.  

Bereits Mitte der 60er Jahre wurden an der Grenze Mexikos zu den USA die ersten zollfreien Produktionszonen eingerichtet, in die das US-Kapital arbeitsintensive Produktionsbereiche verlagerte. In diesen »Maquilas« im Norden Mexikos herrscht heute neo-tayloristischer Postfordismus pur: In prekären, ungesicherten Arbeitsverhältnissen werden vor allem junge Frauen zu Niedriglöhnen ausgebeutet.  

Der Verfall der Rohölpreise führte dazu, daß Mexiko 1982 zum ersten Mal zahlungsunfähig wurde. Der IWF intervenierte und diktierte die Bedingungen für weitere Kredite. Die mexikanische Regierung wurde zum Neoliberalismus bekehrt und privatisierte die Staatsunternehmen. 1986 trat Mexiko dem Gatt bei. 1992 wurde der Artikel 27 der mexikanischen Verfassung gestrichen, der den Handel mit Landbesitz verboten hatte. Dadurch wurden auch die landwirtschaftlichen Genossenschaften dem kapitalistischen Wettbewerb ausgesetzt - eine Vorbedingung für den Beitritt zur Nafta am 1. Januar 1994.
 

Postfordistische Guerilla  

Am gleichen Tag, da Mexiko der Nafta beitrat, begann der Aufstand der EZLN in Chiapas, einer strukturell ausgegrenzten ländlichen Region. Im Postfordismus aber haben sich die Bedingungen für Befreiungsbewegungen erheblich verändert. Befreiungsbewegungen, die im Fordismus auf die Errichtung eines eigenen Nationalstaates und eine nachholende ökonomische Entwicklung abzielten, ist in nachfordistischen Zeiten vollständig der Boden entzogen. War der internationale ökonomische Austausch im Fordismus noch geprägt von einzelnen Nationalökonomien, ist heute der Produktionsprozeß selbst zunehmend global. Durch die Implosion des realsozialistischen Rats für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) ist auch die Möglichkeit weggefallen, sich über einen politisch gesteuerten Gegenweltmarkt auszutauschen. Trotz dieser grundlegend veränderten Rahmenbedingungen beziehen sich auch in den 90er Jahren weiterhin nahezu alle Befreiungsbewegungen auf einen nationalen Rahmen. Zwischen den einzelnen Befreiungsnationalismen bestehen deshalb grundlegende Gemeinsamkeiten:  

Erstens: Nationale Befreiungsbewegungen zielen auf die Herausbildung eines eigenen Nationalstaates und reproduzieren den Mythos nationaler Unabhängigkeit. Dies gilt unabhängig von der politischen Ausrichtung und vom jeweils konkreten Zusammenhang, in dem die Befreiungsbewegung agiert. So ist die baskische Nation das Ziel der Eta, die nicaraguanische Nation das Ziel der FSLN und die kurdische Nation das Ziel der PKK. In einem Interview sagte ein Sprecher der baskischen Jugendorganisation Jarrai auf die Frage nach der Entstehung des baskischen Nationalismus: »Die baskische Nation gibt es unabhängig von der Verfolgung durch andere Staaten ... Es gibt keine baskische >Rasse<. Die Definition der Basken ist, daß sie einfach ein Volk sind, das sich durch bestimmte kulturelle Gemeinsamkeiten und Ansprüche auszeichnet.« In dieser Aussage werden die zentralen Elemente ethnischer Homogenisierung und nationaler Selbstkonstitution genannt. Die baskische Nation existiert als gleichsam überhistorische Einheit, sie wird bislang lediglich von der Dominanzgesellschaft an ihrer Entfaltung gehindert. Definiert wird das »baskische Volk« in den linksnationalistischen Strömungen heutzutage nicht mehr ethnisch bzw. »rassisch«, sondern über kulturelle Gemeinsamkeiten.  

Zweitens: Durch diesen Homogenisierungsprozeß werden patriarchale, rassistische und aus dem Arbeit-Kapital-Verhältnis resultierende Widersprüche zugedeckt. Diese brechen in der Regel nach der Herstellung eines eigenen Nationalstaates wieder auf.  

Drittens: Militärisch agierende Befreiungsbewegungen stellen mit ihrem Gewaltapparat nicht nur die Keimzelle des zukünftigen Staates dar, sie sind auch immer selbst politisch durch Militarisierung gefährdet.  

Viertens: Nationale Befreiungsbewegungen praktizieren oft nicht mehr als einen bewaffneten Reformismus. Häufig ist das Ergebnis des Kampfes nur der Austausch einer Elite durch eine andere. Militante Kampfformen werden in diesem Zusammenhang häufig von der hiesigen Linken mit einer radikalen politischen Zielsetzung gleichgesetzt. Die Radikalität einer Bewegung bemißt sich jedoch ausschließlich nach deren inhaltlicher Zielsetzung und ihrer sozialen Praxis.
 

Völkische, republikanische und sozialistische Tendenzen  

Jede nationale Befreiungsbewegung steht in einem Spannungsfeld von Emanzipation kontra Nation und kapitalistischem Weltmarkt. Eine »befreite Gesellschaft« ist in einem Land oder einer Region allein nicht durchsetzbar. Zahlreiche Befreiungsbewegungen rücken deshalb zunehmend von ihren revolutionären Zielsetzungen ab und verfolgen offen das Ziel eines bürgerlichen Nationalstaats mit einer sozialstaatlichen Abfederung. In den programmatischen und praktischen Ausrichtungen der einzelnen Bewegungen gibt es allerdings erhebliche Differenzen. Neben einem jeweils unterschiedlichen Handlungsspielraum drückt sich darin auch die eigene Nähe oder Distanz zu emanzipativen, kommunistischen Ansätzen aus.  

Modellhaft gesprochen gibt es drei unterschiedliche Tendenzen nationaler Befreiung: völkische, republikanische und sozialistische, wobei auch die zuerst genannten Tendenzen ein sozialistisches Selbstverständnis haben können. Die drei genannten Kategorien sind nicht als statische Ausrichtungen konkreter Befreiungsbewegungen zu begreifen. Es sind analytische Modelle, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede nationaler Befreiungsbewegungen erkennen zu können.  

Die völkische Tendenz kann charakterisiert werden durch einen ethnischen Homogenisierungsprozeß, dessen Ziel es ist, eine Bevölkerungsgruppe als (Staats-)Volk zu konstruieren. Dabei handelt es sich häufig um Bevölkerungsgruppen, denen bis dato bestimmte Rechte von einem Zentralstaat oder einer Dominanzgesellschaft vorenthalten werden. Bis auf die Befreiung vom Dominanzverhältnis tendiert der emanzipative Gehalt völkischer Ansätze gegen Null, da durch den Selbstethnisierungsprozeß rassistische, patriarchale und aus dem Lohnarbeit-Kapital-Verhältnis resultierende Widersprüche negiert und zugedeckt werden. Ziel ist vielmehr der Aufbau eines eigenen bürgerlichen Nationalstaates, in dem nach dessen Durchsetzung die repressive Festigung seiner sozialen Ungleichheit angelegt ist. Ein Beispiel für eine tendenziell völkische Linie bietet die Diskursverschiebung in der PKK vom Sozialismus zu Öcalans »Recht des Patriotismus«, »Ehre und Stolz«, »patriotischer Pflicht, die Heimat zu verteidigen«, zu antisemitischen Argumentationsmustern wie der Rede von der »heimatlichen Scholle« und den »heimatlosen Kosmopoliten«.  

Der republikanische Typus zeichnet sich dadurch aus, daß er formelle bürgerliche Gleichheit in einer Republik durchsetzen möchte. Bekanntestes Beispiel für diesen Typus ist die republikanische Bewegung in Nordirland. Republikanische Bewegungen sind in einem wesentlich geringeren Maß ethnisiert als völkische. Die Zugehörigkeit wird, entsprechend den Prinzipien der Französischen Revolution, eher territorial definiert. Im Gegensatz zu einer nationalen Befreiungsbewegung mit einem primär sozialistischen Grundverständnis verschiebt die irisch-republikanische Bewegung den Kampf um den Sozialismus jedoch auf die Zeit nach der kolonialen Befreiung.  

Die sozialistische Tendenz kann charakterisiert werden als antikapitalistisches Projekt, das sich eher aus pragmatischen Gründen auf einen nationalstaatlichen Rahmen oder ein begrenztes Territorium bezieht. Hier geht es im Unterschied zu republikanischen Ansätzen nicht primär um bürgerliche Freiheit, sondern um materielle Gleichheit. Sozialistische Ansätze sind zum Beispiel bei der EZLN in Mexiko zu finden. Ihr bewaffneter Aufstand richtet sich gegen die Armut als Folge neoliberaler Politik. Die EZLN lehnt die unmittelbare Machteroberung als Revolution von oben ab. Vielmehr sollen auf lokaler Ebene mittels Selbstorganisierung Veränderungen materieller und sozialer Art erkämpft werden, etwa durch Landbesetzungen von Landlosen bzw. indigenisierter Bevölkerung. Die EZLN setzt sich ebenso für das Ende der rassistischen Ausgrenzung der als Indigenas diskriminierten Bevölkerungsteile ein, wie sie mit ihren »Frauengesetzen« die patriarchale Unterdrückung bekämpft.  

Auf die Anforderungen postfordistischer Vergesellschaftung reagiert die EZLN widersprüchlich. Während sie in ihrem Aktionsgebiet gegen Kaziken, die lokalen Chefs, vorgeht, und die kapitalistische Verwertungslogik angreift, verweist ihr Werben für eine »Zivilgesellschaft« als klassenübergreifendes Bündnis darauf, daß sie außerhalb ihres militärischen Aktionsbereichs keine Chance auf revolutionäre Aufhebung des postfordistischen Wettbewerbs sieht.
 

Postfordistische Guerilla:  Freihandel oder Kampf an der Basis  

Befreiungsbewegungen haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, auf die Reorganisation des kapitalistischen Weltmarktes und den Wegfall des RGW zu reagieren. Eine Guerilla kann sich heute dazu entscheiden, beim gegenseitigen Unterbieten der Peripherie-Staaten in ihren Ausbeutungsbedingungen mitzukonkurrieren. In diese Richtung tendiert der südafrikanische ANC, die irische Sinn Féin oder, am eindeutigsten, der korsische FLNC. Der ehemals nominalsozialistische FLNC verfolgt heute mit seinen Forderungen nach Schaffung einer Freihandelszone und umfassenden Steuervergünstigungen für ganz Korsika eine klassisch neoliberale Politik.  

Eine Guerilla kann allerdings auch ganz anders auf die postfordistischen Zwänge reagieren, vorausgesetzt, sie verabschiedet sich von der fordistischen Illusion, mit dem eroberten Staatsapparat allein schon könne der Kapitalismus abgeschafft werden. Gegen die kapitalistische Vergesellschaftung zu handeln heißt, statt eines starken Staates die Selbstorganisation der Ausgebeuteten voranzubringen. Das ist, ansatzweise, die Praxis der EZLN, aber auch verschiedener Parteien der lateinamerikanischen Linken. Am bekanntesten dafür sind die Tupamaros in Uruguay. Es geht dabei um die Ablehnung von Macht, nicht aber von Gegenmacht. Zwar stellt auch die EZLN ganz praktisch die Machtfrage, wenn sie mit dem Gewehr in der Hand der Armee entgegentritt. Ihre Vorstellung von Gegenmacht meint aber mehr als den Austausch von Eliten.