Lokalpatriotischer Standortwahn

Konflikt um Airbus-Werkserweiterung in Hamburg

Von Gaston Kirsche (gruppe demontage), Hamburg

 

Bürgermeisterkonkurrenz um Investitionsentscheidungen von Großunternehmen, sekundierende Gewerkschaften und Betriebsräte im Standortwettbewerb – leider nichts Besonderes. Der Konflikt um die Endlinienfertigung des Superairbus A 380 (früher A 3XX) hat bei allem Schrecken noch eine besondere – irrationale – Dimension: In Hamburg-Finkenwerder geht es letztlich nur noch um die Bereiche Innenausbau und Lackierung. Die wertschöpfungsintensiven Arbeitsgänge dieses europaweit montierten Großfliegers finden ohnehin nicht in Hamburg statt. Es ging daher vor allem um den ‚Prestigegewinn’ für einen Standort. Dafür lässt nun der Hamburger Senat mindestens 1,3 Milliarden DM und ein einmaliges Süßwasserwatt springen. Der Bund ist mit einem weiteren milliardenschweren Engagement bei der Entwicklung des neuen Fliegers ebenfalls dabei.

Die 4.000 neuen Arbeitsplätze im Norden durch den A 380 sind eine Luftbuchung und nicht belegt. Belegt ist dagegen leider, dass Beschäftigte und ihre Gewerkschaften in Toulouse, Hamburg und Spanien keine gemeinsame Sprache und Formel gefunden haben. Das Airbus-Konsortium EADS konnte durch die Konkurrenzspirale seine Bedingungen durchsetzen. Der Lokalpatriotismus auch der Gewerkschaften hilft dabei.

Das neue Großflugzeug Airbus A 380 wird in Hamburg endmontiert werden. Das Oberverwaltungsgericht gab am 20. Februar grünes Licht für die Erweiterung des Werksgeländes in die Elbe hinein.

Horst Niehus, Betriebsratsvorsitzender bei Airbus Finkenwerder, war am 20. Februar eigentlich gerade auf dem Weg zu einem startklaren Airbus auf dem Werksflughafen Hamburg-Finkenwerder, um in Toulouse an einer Sitzung des neuen europäischen Gesamtbetriebsrates von EADS Airbus teilzunehmen. Kurz vor elf klingelte sein Handy: „Ich sollte sofort zur Geschäftsleitung kommen“, berichtete er dem Hamburger Abendblatt kurz darauf. Niehus ist nicht nur Betriebsratsvorsitzender, sondern auch Mitglied im Aufsichtsrat von EADS Airbus. Als er im Bürotrakt der Chefs reinkam, standen dort schon Sektgläser: „Es war einfach toll. Wir haben uns in den Arm genommen.“ Zwanzig Minuten zuvor war der Beschluß "2 Bs 370/00" bekannt geworden. Auf 88 Seiten dicht bedrucktem Papier hatte das Oberverwaltungsgericht Hamburg darin den Baustopp für die Erweiterung des Airbus-Werkes Finkenwerder aufgehoben. Die 289 anhängigen Klagen gegen den Bebauungsplan wegen zu erwartender Lärmbelästigung für Anwohner und wegen der teilweisen Zerstörung eines nach EU-Richtlinien geschützten ökologisch einmaligen Süßwasserwattes  werden zwar noch der Form halber in der Hauptsache vor Verwaltungsgericht behandelt werden, aber in der Elbeinbuchtung Mühlenberger Loch kann ab sofort mit der Vorbereitung für die Erweiterung des Airbus-Werksgeländes begonnen werden. Hamburg will 1.300 Millionen Mark dafür ausgeben, hundertsechzig Hektar des Mühlenberger Loches aufzuschütten. Als Erweiterungsfläche, auf der Airbus für 1.100 Millionen Werkhallen und eine Lackierei errichten will.

Im Elbwatt darf gebaggert werden. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat am 19. Februar abends den Baustopp aufgehoben für die Erweiterung des Airbus-Werkes Finkenwerder, einem Hamburger Stadtteil am Südufer der Elbe. Die 289 anhängigen Klagen gegen den Bebauungsplan werden zwar noch in der Hauptsache vor Gericht behandelt werden, aber in der Elbeinbuchtung Mühlenberger Loch kann ab sofort mit der Zuschüttung des Elbwattes für die Erweiterung des Airbus-Werksgeländes begonnen werden. Das Gericht erklärte in seinem Beschluß: „Sollte man nicht mit dem Bau beginnen können, wäre das Projekt auch dann endgültig gescheitert, wenn die Kläger später in den anhängigen Verfahren unterliegen würden.“ Auf dieser Grundlage, so das Gericht, komme es im Rahmen seiner Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Nachteile eines weiteren Baustopps für die Behörde und die EADS schwerer wiegen als die der Kläger.

Das westeuropäische Airbus-Konsortium EADS spielte Standorte gegeneinander aus, drohte damit, den Airbus A 380 ausschließlich in Toulouse fertigen zu lassen, wenn es aus Hamburg im Februar keine rechtsverbindlichen Zusagen gibt. Das OVG Hamburg bewies seine Unabhängigkeit damit, sich ein paar Tage länger Zeit mit seinem Urteilsspruch zugunsten von Airbus Industrie zu lassen, als deren Frist vorsah. Auf Kosten der Stadt und der Natur wird nun ein Wattgebiet der Elbe bebaut werden. Letztes Jahr hatte sich Hamburg gegen Rostock als alternativen Produktionsort durchgesetzt. Dabei wären in Rostock-Laage von städtischer Seite bessere Voraussetzungen für die Produktion des Super-Jumbos gegeben: In Rostock-Laage hätte es die Probleme um die Werkserweiterung durch Zerstörung eines Naherholungs- und Naturschutzgebietes nicht gegeben, die Kosten für Airbus wären aber höher gewesen. Platz für Werkhallen ist neben den kaum genutzten und geeigneten Startbahnen des Rostocker Flughafens vorhanden. Und es gibt viele qualifizierte Arbeitslose. Aber bei Standortentscheidungen geht es eben vor allem um günstige Produktionsbedingungen für den Airbus-Konzern. Und die Chefs von Airbus lassen sich gerne von den Kommunen zusätzliche Geschenke machen in Form von Infrastruktureinrichtungen und politischer Rückendeckung für ihre Konzerninteressen. Darin ist Hamburgs SPD ebenso geübt wie beim Offerieren der sogenannten weichen Standortfaktoren.

Die 289 Klagen gegen die Werkserweiterung von Airbus kommen nicht nur von Anwohnern, die vermehrten Fluglärm befürchten. Es sind auch Bauern aus Hamburgs an das Airbus-Werk angrenzendem Obstanbaugebiet, dem „Alten Land“, die auf ihre Apfel- und Kirschbäume nicht für ein erweitertes Airbus-Gelände verzichten wollen. Für das einmalige und geschützte Feuchtbiotop Mühlenberger Loch, ein international anerkanntes Vogelschutzgebiet, setzen sich mehrere Naturschutzverbände ein: Diese Elbeinbuchtung ist das größte Süßwasserwatt Europas. Das tideabhängige Watt steht unter Landschafts- und Vogelschutz, ist als "Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung" durch die UNO anerkannt und gilt nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat als besonders schützenswertes Gebiet. Es ist ein Rast- und Brutplatz für Löffel- und Krickenten, für Trauerseeschwalben und Zwergmöwen sowie vieler seltener Fisch- und Pflanzenarten. Den Naturschützern gegenüber steht eine Begeisterung für die Erweiterung der Airbus-Montage bei fast allen politischen Parteien und gesellschaftlichen Verbänden. Durch das Versprechen von Arbeitsplätzen spielt die Beschädigung eines Hamburger Naherholungsgebietes keine Rolle mehr.

Deswegen startete die Handelskammer Hamburg im Januar eine massive Kampagne für einen schnellen Gerichtsbeschluß, der grünes Licht für die Erweiterung des Werksgeländes gibt.

IG Metall und Betriebsrat rühren die Werbetrommel für den Airbus-Konzern. IG Metall, DGB und DAG haben sich in eine „Allianz für den A 380 in der Metropolregion Hamburg“ einbinden lassen. In dem Appell dieser Allianz, der als ganzseitige Anzeige in hamburger Tageszeitungen erschien, wird das Interesse der Chefs und Aktionäre von EADS-Airbus zum Allgemeinwohl erklärt: „Niemand darf zu Lasten der Gemeinschaft sein Interesse durchsetzen, sondern die Metropolregion Hamburg verdient als Ganzes unsere Förderung. Entscheidend für eine gute Zukunft der Metropolregion Hamburg ist und bleibt eine florierende Wirtschaft. Der Bau des A 380 sichert auf mehr als eine Generation eine neben Seattle und Toulouse weltweit führende Stellung im Flugzeugbau, schafft und sichert tausende von Arbeitsplätzen...“. Das die Handelskammern und Industrieverbände der Region einen solchen Text gerne unterschreiben ist klar. Der Präsident der Hamburger Handelskammer Nikolaus Schües, ist denn auch federführend bei der Allianz dabei, um die Verwertungsbedingungen fürs Industriekapital abzusichern: „Wir brauchen unbedingt Erfolg  für den A 380.“ Schües versteht sein Geschäft, auch etwas Schreckensmalerei gehört dazu. Auf der Pressekonferenz der „Allianz für den A 380“ prophezeite er, falls die Produktion nicht nach Hamburg käme, eine „erdbebenähnliche Erschütterung in ganz Norddeutschland. Dann bricht hier das Bestehende zusammen. Die Lage ist viel dramatischer, als es scheint.“ Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde, SPD, sagte sofort eifrig seine Zustimmung zu: „Ich kann den Appell nur unterstützen.“ Und Erhard Pumm, Vorsitzender des Hamburger DGB, versicherte der Handelskammer: „Da passt zwischen uns kein Blatt.“ Die in Hamburg mitregierenden Grünen halten aus Koalitionsräson still oder beteiligen sich an der Standort-Beschwörung. So hat Bürgermeister Runde freie Fahrt für seine Phrasen: Er sei zuversichtlich, dass das Oberverwaltungsgericht „die europäische Dimension des Projekts“ würdigen werde, was nur bedeuten könne, dass es „den Sofortvollzug für den Bau anordnet.“ 

Am 19. Dezember hat sich die EADS Airbus GmbH dafür entschieden, den neuentwickelten Super-Jumbo zu bauen. Das Großraumflugzeug A 380 wird bis zu 650 Passagieren befördern können und 16.000 Kilometer weit fliegen können – nonstop. Damit konkurriert das westeuropäische Airbus-Konsortium das erste Mal in der Jumboklasse mit dem Marktführer Boeing aus Seattle. Aber nicht nur mit US-Firmen wird konkurriert: Auch die nationalen Firmen innerhalb von Airbus wetteifern darum, wer welche Produktionsanteile für welche Standorte sichert.

Die Stadt Hamburg hat sich in diesem Wettkampf  frühzeitig engagiert. Beim Spazierengehen an der Elbe sind sie nicht zu übersehen: Die Informationscontainer von EADS Airbus auf den Anlegern der Elbbarkassen. Es wird einen Moment laut, wenn eine Beluga zur Landung in Finkenwerder ansetzt. Das riesige Transportflugzeug scheint in die Elbe zu stürzen. In den Belugas  werden die Einzelstücke der bereits seit 1992 hier produzierten kleineren Airbusse zur Montage aus anderen Airbus-Werken eingeflogen. Auf Teufelsbrück, dem Anleger direkt gegenüber vom Airbus-Gelände auf der anderen Elbseite, klebt ein Aufkleber gegen die Werkserweiterung einsam am Infocontainer. Drinnen liegen Broschüren aus, mit Titeln wie „Hamburg – Die Standortalternative für den A3XX“. Verfasst von der Wirtschaftsbehörde, finanziert von der Stadt Hamburg. Auch große Buttons gibt es dort, bunt bedruckt mit einem Prototyp des A380 und dem Slogan „Arbeitsplätze für Hamburg“. Der Unterschied zwischen Privatwirtschaft und Behörde verwischt ebenso wie der zwischen Arbeitnehmerinteressen und Geschäftsführung.

Ende Januar schaltete EADS Airbus Vierfarbanzeigen. Dort verkündete scheinbar gar nicht die Geschäftsleitung die Airbus-Devise: „Am 19.12. 2000 hat Airbus Industrie beschlossen, die A 380, das größte Verkehrsflugzeug der Welt, zu bauen. Wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der EADS Airbus...“ Überschrift: „Wir wollen dabei sein!“ Als Sympathieträger sind zwei Auszubildende abgebildet, im Text werden „4000 hochqualifizierte und dauerhafte Arbeitsplätze“ angepriesen. Da der Firmenleitung aber kaum jemand widerspricht, wiederholen die Chefs von Airbus gerne diese Behauptung. Rainer Hertrich, einer der beiden Vorstandschefs von EADS Airbus, nannte kürzlich wieder die Zahl von 45.000 neuen Arbeitsplätzen bundesweit durch den A 380, davon über 4.000 in Hamburg. Auf Kritik, diese Prognose sei unrealistisch, antwortete er in einem Interview ungehalten: „Solche Überlegungen entbehren jeder Grundlage.“ Stattdessen stellt Hertrich lieber der Stadt Hamburg ein Ultimatum: „Wenn der Termin gehalten werden soll,  muss die Stadt bis Mitte Februar mit ihren Arbeiten anfangen. Schließlich soll der A380 im Jahr 2004 zum ersten Mal fliegen.“ Nachdem das Verwaltungsgericht Hamburg am 19. Dezember per einstweiliger Verfügung einen Stopp des Baubeginns  verfügt hatte, haben die Anwälte von EADS Airbus der zweiten Instanz, dem Oberverwaltungsgericht Hamburg, am 2. Januar einen eindeutigen Brief geschickt: nur noch bis spätestens 15. Februar sei eine Verzögerung des Baubeginns „unter Ausschöpfung aller Maßnahmen kompensierbar.“ Ansonsten „wird die bereits früher erörterte Alternative (Toulouse) aufgrund der für Hamburg herrschenden Planungsunsicherheit erneut zum Gegenstand von Beschlußfassungen in den Gremien  der Airbus Industrie gemacht werden.“ Nun hat sich das OVG Hamburg ein paar Tage länger Zeit gelassen. In ungewohnter Deutlichkeit haben Hamburgs Bürgermeister Runde und sein Wirtschaftssenator Thomas Mirow eilig dem Gericht ihre Meinung kundgetan: Runde erklärte, es sei „relativ abwegig, den Gemeinnutz dieses Projektes nicht anzuerkennen.“ Genau das war die Begründung für den Baustopp.  Falls das Projekt Airbus scheitere, liege das „an der spezifischen Sichtweise des Gerichtes.“ Mirow erklärte bereits im Dezember gegenüber dem Hamburger Abendblatt: „Was die Arbeitsplätze angeht, stehe ich unter dem Eindruck, dass es hier bei Gericht eine prinzipielle Auffassung gibt, die ich nicht teile. Nämlich die, es könne in einer Marktwirtschaft für Arbeitsplätze gleichsam eine juristische Garantie geben.“ Nachdem Mirow so durch die Blume zu verstehen gibt, was von den angeblichen 4000 Arbeitsplätzen zu halten sei, wird er noch eindeutiger: „Sollte aber das Projekt endgültig scheitern, - wovon ich nicht ausgehe – wäre der Schaden für den Industriestandort Hamburg unübersehbar.“ Jürgen Thomas aus dem Vorstand von Airbus griff Anfang Februar dieses Szenario erneut auf: Das Schicksal Hamburgs beim Bau des A 380 hänge am seidenen Faden, im Februar müsse entschieden werden. Gerichtssprecherin Angelika Huusmann gab  daraufhin bekannt, die Entscheidung des OVG werde in der Woche ab dem 19. Februar fallen. Der Sprecher der Hamburger Wirtschaftsbehörde, Bernd Meyer beeilte sich zu versichern, dass damit noch die Frist von Airbus eingehalten werden könne: „Wir gehen davon aus, dass die achte Woche noch zeitgerecht ist.“

Im Interesse eines vermeintliches Gemeinwohles appellierte der Präsident der Handelskammer, Schües, wiederholt an den Patriotismus der Airbus-Gegner: Es sei Zeit „nun patriotisch zu handeln und den gesamtstädtischen Interessen den Vorrang vor individuellen Anliegerinteressen einräumen.“

Gemeinwohl gleich gute Verwertungsbedingungen für Kapital. Das zu behaupten ist auch sein Job. Nur gibt es außer ein paar Klägern kaum jemanden, der ihm widerspricht. Allein von der Bürgerschaftsfraktion Regenbogen, die sich wegen des Jugoslawienkrieges von der grünen GAL abgespalten hat, ist Kritik zu hören. Deren Abgeordneter  Norbert Hackbusch sprach angesichts der Airbus-Propaganda von „einer Angstkampagne der Wirtschaft“. Die wolle damit „sicherstellen, dass Großprojekte durch Steuergelder subventioniert werden, unabhängig davon, wieviel Schaden sie anrichten.“ Gewerkschaften, SPD und Senat waren willfährige Erfüllungsgehilfen für diese Angstkampagne. In Hamburg grassiert der patriotische Standortwahn.

Der Hamburger DGB und auch die IG Metall sowie insbesondere der Betriebsrat von Airbus trugen die Kampagne für den Standort Hamburg kritiklos mit. Ein Höhepunkt war eine Kundgebung am 6. Februar: „Wenn der Airbus A380 tief über die Felder bei Toulouse fliegt, dann reißen die Bauern die Mütze vom Kopf und rufen ’Vive la France!. Aber in Hamburg rennt der Bauer zum nächsten Telefon und beschwert sich“, empörte sich Horst Niehus dort als Redner. Stichwortgeber für seinen Ausruf war ein Transparent mit der Aufschrift  „Über Toulouse lacht die Sonne, über Hamburg die ganze Welt". Als Betriebsratsvorsitzender im EADS Airbus-Werk Finkenwerder auf der Südseite der Elbe leitete er die Kundgebung. Niehus plapperte die Propaganda der Airbus-Werksleitung nach: Der A 380 sei die „größte Herausforderung in der Geschichte“ von Airbus, deshalb hätte „die Sicherung des Standortes Hamburg jetzt absolute Priorität.“

Dem Aufruf des Betriebsrates und der IG Metall waren 7000 Leute aus mehreren Airbus-Werken Norddeutschlands gefolgt. Unter dem Motto „Arbeitsplätze für die Region – Welcome A 380“ demonstrierten allein über 3000 Beschäftigte aus dem Airbus-Werk Finkenwerder nach der Mittagspause in die Hamburger City. Als Betriebsversammlung deklariert, während der Arbeitszeit.

Der Betrieb auf der Flugzeugwerft ruhte währenddessen. Das sei in diesem Fall aber OK, man ziehe schließlich an einem Strang, erklärte Theodor Benien, Sprecher der Airbus-Betriebsleitung. Den Produktionsausfall bezeichnete er als "Investition in die Zukunft». Kaum verwunderlich, da auf der Kundgebung auch ein Vertreter der Handelskammer Hamburg eine flammende Rede für Investitionssicherheit bei Industrieprojekten halten konnte, für die er Applaus bekam von den anwesenden Gewerkschaftern. Die Kombination von roten IG Metall-Cappies und IG Metall-Fahnen mit Firmenaufklebern „Welcome Airbus“ und Transparenten mit Werbeslogans für die Werkserweiterung von Airbus symbolisierte eine harmonische Betriebsgemeinschaft von Kapitalisten und Angestellten. Auf Transparenten wurde die Propaganda des Airbus-Konsortiums von ihren Angestellten präsentiert: „A 380 – der ist groß, 4000 Menschen nicht mehr arbeitslos!“ Daneben das Firmenlogo „Welcome Airbus“.

Auf der Homepage der Verwaltungsstelle Hamburg der IGM findet sich wieder die Einheit der Symbole: Welcome A 380 neben den Signets von IGM und Airbus-Betriebsrat. Daneben ein begeisterter Bericht von der Kundgebung: „Diese größte technologische Zukunftsinvestition der Nachkriegsgeschichte ist nicht nur ein Meilenstein zur Sicherung des Industriestandortes Hamburg ... sondern auch ein bedeutender Schritt zur Schaffung von neuen industriellen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für mehrere tausend ArbeitnehmerInnen.“

Auf Nachfrage bestätigten Airbus-Beschäftigte, dass sie an die Versprechen der Chefs von Airbus glauben. So eine junge Fluggerätemechanikerin: „Mit dem neuen Airbus können wir sicher sein, nach der Ausbildung übernommen zu werden“. Bärbel Ferwing, die als Konstrukteurin bei Airbus arbeitet, erklärte einem Reporter des Hamburger Abendblattes: „Wir sind hier, weil wir mehr Plätze für Auszubildende wollen.“ Und dafür vertraut sie auf die Expansionspläne der  Firmenleitung. Das Airbus auch nur ein Unternehmen ist, das auf Profitmaximierung orientiert ist und keine Arbeitsbeschäftigungsmaßnahme, war überhaupt kein Thema.

Das Versprechen von 4000 neuen Arbeitsplätzen allein in Hamburg war das Hauptargument, mit dem Airbus seine Konzerninteressen durchgesetzt hat. Betriebsrat und Gewerkschaft haben Airbus dabei zur Seite gestanden. Die Vertretung der Interessen der Beschäftigten kam dabei zu kurz. Es ist bis jetzt unklar, wieviele Arbeitsplätze real neu entstehen. Vor allem aber fällt völlig unter den Tisch, zu welchen Bedingungen die Arbeitsplätze geschaffen werden. Angesichts der Tatsache, dass der Flugverkehr in den nächsten Jahrzehnten stark zunehmen wird, könnte die IGM hier einiges für die Beschäftigten durchsetzen. Neben Ingenieuren arbeiten bei Airbus auch viele Mechaniker und Techniker. Während Ingenieure eingestellt werden sollen, wurde in der Produktion kräftig rationalisiert. Es gibt bei Airbus prekär Beschäftigte, die nur einen befristeten Vertrag haben. Im gemeinsamen Kampf um den Standort wird auch verdrängt, dass im Airbus-Werk Finkenwerder die Firmenleitung die Ausweitung von Überstunden forciert: Laut einer betrieblichen Sonderregelung arbeiten 18 Prozent der Beschäftigten 40 statt der tariflich vereinbarten 35 Stunden. Airbus will diese Zahl jetzt noch erhöhen. Die IG Metall ist im Prinzip dagegen, aber der Betriebsrat wird wohl zustimmen ­ im Interesse der Betriebsgemeinschaft. Die meisten Beschäftigten von Airbus begrüßen denn auch die Produktionserweiterung und übernehmen die Standortlogik ihrer Firma ohne Kritik. So erklärte Dietmar Schalk nach dem Gerichtsurteil: „Der A 380 wird zum Ausbau des Standortes Hamburg beitragen und Airbus viele weitere Aufträge sichern.“ Der Hamburger DGB-Vorsitzende Erhard Pumm betonte, die Entscheidung sei die Grundlage für eine "neue industriepolitische Ära Hamburgs". Frank Teichmüller, Vorsitzender der IG Metall, Bezirk Küste schwärmte: „Ein Zukunftsprojekt mit Riesenformat hat gewonnen.“

In der öffentlichen Airbuseuphorie wird auch übersehen, dass bei Airbus durch Leistungsverdichtung und Rationalisierung die Beschäftigten immer mehr leisten müssen. 1995 plante der Konzern mit dem Rationalisierungskonzept "Dolores“ die Entlassung von 2300 Beschäftigten in Finkenwerder. Vor sechs Jahren erreichten IG Metall und Betriebsrat nach Protesten eine Teilrücknahme der geplanten Massenentlassungen: Es gab 1996 1000 Entlassungen weniger, weil gleichzeitig die Produktion um über 20 Prozent stieg. Aber zu welchen Bedingungen bei Airbus produziert wird, interessiert die Stadtregierung nicht. Hauptsache Industrieansiedlung, Hauptsache Arbeitsplatzversprechen. Das jetzt bei Airbus nicht mehr die Rede ist von 45.000 Arbeitsplätzen bundesweit, sondern nur noch von 2.000 neuen Arbeitsplätzen durch den A 380 in allen sieben Airbuswerken, interessiert kaum. 

Hamburgs Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) freute sich über den für positiven Gerichtsbeschluß für Airbus: "Mir ist eine ganze Ladung Wackersteine vom Herzen gefallen." Dies sei „der bisher schönste Tag für mich als Bürgermeister“. Er bezeichnete die Gerichtsentscheidung als „Signal für den Technologiestandort Deutschland“. Hamburg habe mit der Montage des A 380 die Chance, „einer der drei größten Luftfahrtindustriestandorte der Welt“ zu werden. Dabei investiert nicht nur Hamburg viel Geld – Allein die Entwicklungskosten von Airbus für den A380 sind etwa 12 Milliarden Euro hoch. Die Bundesregierung hat deshalb Airbus zinsgünstige Darlehen in Milliardenhöhe zugesagt. Und Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßte den Gerichtsentscheid Pro-Airbus: "Ein wichtiger Beitrag, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken." Und wenn es um den Standort Deutschland geht, freuen sich eben fast alle – auch die CDU: Matthias Wissmann, Chef des Bundestags-Wirtschaftsausschusses sekundierte erfreut: "Ein Investitionssignal für die Region Hamburg und Deutschland."

Hamburgs Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) erklärte ebenfalls am 20. Februar gegenüber der Hamburger Morgenpost: „Die Airbus A 380-Produktion ist für mein politisches Leben sicherlich die wichtigste Entscheidung. Es ist das größte Industrieprojekt in der Geschichte unserer Stadt. Es wird in der Wirtschaftsgeschichte seinen Platz haben.“

Auch die Handelskammer der Hansestadt bezeichnete die Aufhebung des Baustopps "als Sieg der Vernunft". "Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen", sagte Nikolaus Schües, ihr Präsident. Schües hat ein klare Orientierung ausgegeben: Die HamburgerInnen dürften nicht mehr „fragen, wie man in Hamburg lebt, sondern wovon.“ So ist das Versprechen und die Erpressung mit Arbeitsplätzen an seinem elendigen Endpunkt angekommen: Lebensqualität egal, Natur nebensächlich, Hauptsache irgendeine Arbeit.

Der Airbus-Angestellte Rüstem Kantarci hat verstanden und erklärte nach dem Gerichtsurteil für Airbus gegenüber dem Hamburger Abendblatt: „Das ist eine einmalige Chance, in Konkurrenz zu Boeing zu treten. Als Mitarbeiter bin ich natürlich für die Erweiterung, obwohl ich direkt in der Einflugschneise wohne. Zur Not muß ich wegziehen. Aber wohnen kann man auch woanders.“