Warten auf Godot

Oder: Die Selbstorganisierung von Flüchtlingen schützt vor Eigeninitiative nicht

 

Von gruppe demontage, Oktober 1997

 

In der letzten Ausgabe der Zeck haben einige UnterstützerInnen der IZI-Aktion gegen die Massenabschiebungen ins ehemalige Jugoslawien in der Flora mit dem Text „Das Phantom in der Flora“ den Versuch unternommen, den zähen und letztendlich gescheiterten Prozeß für eine gemeinsame Aktion von IZI (Interessensgemeinschaft der Flüchtlinge) und linken UnterstützerInnen kritisch zu reflektieren. Reflektiert wurde dabei allerdings in erster Linie das Verhalten von IZI. Selbstreflexion und Selbstkritik der UnterstützerInnen wurde dagegen kaum geleistet.

Daß sich die AutorInnen mit Selbstkritik schwer tun, ist einem Antirassismus-Verständnis geschuldet, das auf zwei Prämissen beruht: Erstens ist die Selbstorganisierung von Flüchtlingen wichtig und eine gute Sache. Und zweitens: Linke UnterstützerInnen in Deutschland können aufgrund von „strukturellen Unterschieden“ (kursiv gesetzte Textstellen sind Zitate) nur sehr vorsichtig in den Prozeß eingreifen, vor allem aber nur unterstützend tätig sein. Nun ist es sicherlich richtig, von einem Verständnis auszugehen, „nicht stellvertretend für andere organisieren“ zu wollen oder, auf die konkrete Aktion bezogen, anstelle von IZI „selber Flüchtlinge in die Flora und für die Aktion zu mobilisieren“. Ein solcherart (aktiv) paternalistisches Verhalten wird richtigerweise kritisiert und ist grundsätzlich abzulehnen.

Problematisch ist allerdings auch die Position der AutorInnen, „daß die konkrete Ausgestaltung der Aktion die Sache von IZI gewesen wäre“ und die Entwicklung des gemeinsamen Prozesses „durch das Durchsetzen von eigenen Konzepten“ paternalistisch bestimmt worden wäre. Dies ist ein Herausstehlen aus der eigenen Verantwortung für einen gemeinsamen Prozeß. Es entsteht ein passiver Paternalismus, indem auf die Aktivität und die Selbstorganisierung von Flüchtlingen gewartet wird, um diese dann unterstützen zu können. Diese Positionslosigkeit und dieses passive Verständnis von Antirassismus-Politik hat in gleicher Weise zum Scheitern der Aktion und der Diskussion beigetragen wie die unklaren Konzeptvorstellungen von IZI.

Auch Finn bleibt in seinem Entgegnungspapier „Überall Phantome“ in diesem dualistischen Denken StellvertreterInnenpolitik versus Selbstorganisierung gefangen, wenngleich er zu der Einschätzung kommt, daß auch „eine klare Ansage von IZI nichts geändert“ hätte. Auch er versteht die Entwicklung einer gemeinsamen Aktion nicht als gleichberechtigten Dialog oder Ringen um eine Annäherung von Positionen, sondern entweder als Organisierung für irgendeine Gruppe oder als Unterstützung von Interessen irgendeiner Gruppe.

Das Interesse von Flüchtlingen, sich ihrer Abschiebung zu widersetzen, verdient unsere volle Unterstützung. Antirassistische Politik der Linken in der Bundesrepublik muß aber darüber hinaus immer selbst aktiv bestimmt werden und auf eine Abschaffung der rassistischen Asyl- und Flüchtlingspolitik gerichtet sein.

Eine antirassistische Praxis muß deshalb aus einem Verständnis entwickelt werden, das unterschiedliche Interessen und unterschiedliche Möglichkeiten nicht als Hemmschuh wahrnimmt, sondern als Chance. „Strukturelle Unterschiede“ dürfen nicht zur eigenen Positionslosigkeit führen, vielmehr müssen wir auf einer politischen Ebene um eine Annäherung verschiedener Positionen ringen. Ein solches Verständnis bedeutet eine Absage an aktiven wie an passiven Paternalismus. Dies ist gleichermaßen auch die Voraussetzung für eine antirassistische Praxis und eine linke Diskussion, die anknüpft an Auseinandersetzungen aus den frühen 90er Jahren über Asyl- und Flüchtlingspolitik, Abschiebepraxis usw.

Eine kritische Reflexion der UnterstützerInnen, die die Schwierigkeiten des Prozesses hauptsächlich auf Seiten der Flüchtlinge ausmacht und sich somit selbst zum Opfer erklärt, trägt nicht zu einer Weiterentwicklung antirassistischer Politik bei.