Wachse Wachse
Über Alles -
die
Stadtentwicklungspolitik der Hamburger Parteien und ihre soziale Basis
Ende Februar 2008
wird im Hamburg ein neues Landesparlament gewählt. Die Parteien sind mit ihren
Wahlprogrammen und wirtschaftspolitischen Analysen in Stellung gegangen. Alle
sozioökonomischen Forderungen beziehen sich auf das CDU Programm der Wachsenden
Stadt, mit dem diese nun schon im siebten Jahr den wirtschaftspolitischen Ton
angibt: “Hamburg soll im globalen Wettbewerb ganz von positioniert werden, es
soll zu den World Winning Cities der Zukunft gehören“ (Regierungsprogramm
2004-2008 der CDU). Diese Ausrichtung der Stadtentwicklungspolitik am internationalen
Wettbewerb hat in Hamburg seit der Regierungszeit des SPD Bürgermeisters von
Dohnanyi Anfang der achtziger Jahre Tradition. Der von ihm beförderte Schwenk
zur Dienstleistungsökonomie wurde von einer Politik begleitet, welche die Stadt
als „Unternehmen Hamburg“ verstand.
Mit einer aggressiv am Weltmarkt
ausgerichteten Angebotspolitik sollen auch gegenwärtig Unternehmen und
qualifizierte Arbeitskräfte nach Hamburg geholt und so mit einem Anstieg der Einwohnerzahlen
nicht nur das Steueraufkommen gestärkt, sondern auch ein überdurchschnittliches
Wachstum des Bruttosozialproduktes erreicht werden. Für diese Politik steht die
bedingungslose Unterstützung des Airbusmanagements (u.a.
Landebahnerverlängerung), der Ausbau des Hafens durch den Verkauf der Hamburger
Hafen und Logistik AG, die Erweiterung der Innenstadt durch eine primär an
Verwertungsinteressen ausgerichtete Entwicklung der Hafencity, die
Subventionierung von Mittelstand und Handwerk (u.a. durch die Vergabe
öffentlicher Aufträge), der sog. Sprung über die Elbe mit der Aufwertung von
Wilhelmsburg durch die Internationale Gartenbau- und die internationale Architekturausstellung
2013 oder der Bau der Elbphilharmonie als neues Wahrzeichen des Stadtstaates.
Unter dem Titel „Eckpunkte für eine
Industriepolitik – Cluster richtig auswählen und entwickeln“ machte die
Hamburger Handelskammer im Dezember 2006 detaillierte Vorschläge zur Fortentwicklung
der CDU Politik der Wachsenden Stadt. Diese beziehen sich zwar nur auf die im
weiteren Sinne industriellen Cluster, nicht wie bei der Landesverwaltung auch
auf die Themen China und Hafen/Logistik. Die Vorschläge werden jedoch
hinsichtlich der empirischen Grundlagen und der wirtschaftspolitischen
Handlungsmöglichkeiten wesentlich genauer aufbereitet als im Landeskonzept. Als
Wirtschaftscluster wird die räumliche Ballung von ähnlichen Dienstleistungen
bzw. industriellen Prozessen verstanden, die durch den Austausch von Wissen,
MitarbeiterInnenn und in Zuliefererketten eine starke Wettbewerbsposition und
ein hohes Wachstum ermöglichen sollen. In der Rangfolge nach Umsatz schreibt
die Handelskammer der Vorleistungsindustrie (Rohstoffverarbeitung, chemische
Grundstoffe etc.), Medien und IT, Life Science (Medizintechnik, Gentechnik und
Pharmatechnologie), Luftfahrtindustrie, Maschinenbau, maritimer Industrie,
erneuerbaren Energien und Kraftfahrzeugindustrie eine Bedeutung als Cluster zu.
Die einzelnen Cluster analysiert die Handelskammer auf räumliche Konzentration,
kritische (wirtschaftliche) Masse für eine eigenständige dynamische Entwicklung,
gemeinsame Bedürfnisse und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sowie das eigentliche
Clustermanagement. Im Ergebnis werden die Cluster IT und Medien, Life Science
und Luftfahrtindustrie als nahezu effektive, d.h. ausgereifte Cluster
beschrieben. Die Cluster maritime Industrie, erneuerbare Energien und
Maschinenbau werden als relativ leicht mobilisierbar eingeordnet. Die Vorleistungs-
und Kraftfahrzeugindustrie stellen dagegen bisher nur potentielle Cluster dar.
Privatisierte
Wirtschaftspolitik
Für das Clustermanagement
sieht die Handelskammer grundsätzlich Selbstverwaltungsstrukturen der
jeweiligen Industriezweige vor, die auf den vorhandenen Wirtschaftsstrukturen
aufbauen und nicht auf politischen ggf. auch außerökonomischen Zielsetzungen
fußen. Als Vorleistung des Staates seien die gemeinsamen Bedürfnisse der
Unternehmen eines Clusters zu ermitteln. Für das eigentliche Clustermanagement
sei dabei der Wissens- und Technologietransfer über Hochschulen, wissenschaftliche
Institute, Netzwerke oder Fortbildungseinrichtungen zentral. Der Clou besteht
für die Handelskammer darin, dass sie für die sog. leicht mobilisierbaren
Cluster Maschinenbau, maritime Industrie und erneuerbare Energien fordert, das
Clustermanagement nicht nur selbst konzipieren
zu können, sondern es auch noch selbst umsetzen zu dürfen. Für die effektiven
Cluster fordert die Handelskammer von dem schon vorhandenen (sub)staatlichen
Clustermanagement die Vernetzung mit den Verbänden und
Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft (also wiederum mit sich selbst) zu
vertiefen, sowie den Aus- und Aufbau von Fortbildungseinrichtungen in
privatwirtschaftlicher Trägerschaft zu ermöglichen. Da sich alle diese Tätigkeitsbereiche,
welche die Handelskammer für sich selbst forderte, nicht von selbst finanzieren
ist klar, dass die Handelskammer auf fremde (das heißt staatliche) Rechnung
Klientelpolitik betreiben will.
Vor dem Hintergrund der
Zwangsmitgliedschaft aller Hamburger Gewerbetreibenden in der Handelskammer
kann von einem stark korporatistischen Einschlag in der Hamburger Wirtschaftpolitik
gesprochen werden. Mit Blick darauf, dass der Erfolg einer Regierung auch davon
abhängt, dass die eigene Wirtschaftspolitik ggf. von Privaten durchgeführt
wird, entsteht so etwas wie ein revidierter bzw. neuer
Staatsmonopolkapitalismus gesprochen werden. Lenin ging davon aus, dass die kapitalistische
Wirtschaft zur Sicherung ihres Fortbestandes auf die gestaltende
Wirtschaftspolitik des Staates angewiesen ist. Das Konzept der Handelskammer
macht umgekehrt den Erfolg eines wesentlichen Teils der Staatspolitik vom
Wirken privatisierter Wirtschaftsstrukturpolitik abhängig. Die Vorschläge der
Handelskammer sind eingebettet in eine Staatspolitik, die zunehmend auf sog. Öffentlich-Private-Partnerschaften
oder privatrechtliche Projektgesellschaften zurückgreift, um staatliche
Aufgaben umzusetzen (Schul- und Straßenbau oder Planung von Hafencity und
Elbphilharmonie). Die Vorgehensweise der Handelskammer, das Clusterkonzept
systematisch zu vertiefen, und die Forderung einer noch weitergehenden
Privatisierung der Wirtschaftspolitik machen deutlich, dass sich die
Handelskammer ihrer kapitalfreundlichen Position sehr sicher ist. Es geht nur
um das scheinbar optimale Wie einer kapitalzentrierter Politik und nicht um
dessen Ob.
Der Erfolg des seit 2001 von der CDU verfolgten Programms zur Wachsenden Stadt fällt jedoch auch aus herrschender Sicht höchstens gemischt aus (vgl. den Beitrag: Monitor Wachsende Stadt 2007 – eine spaltende Bilanz). Die wirtschaftliche Elite der Stadt und die CDU sind gleichwohl von ihrem Erfolg überzeugt und wollen den bisherigen Weg fortsetzen. Das macht aus Sicht des Kapitals auch Sinn, denn die auf Überseehandel, Luftfahrt, Medien, Unternehmensdienstleistungen, Tourismus und Maschinenbau ausgerichtete Wirtschaft der Hansestadt gehört zu den Globalisierungsgewinnern. Dass die wirtschaftliche Expansion mit einer zunehmenden sozialen Spaltung einher geht, wird von diesen Kreisen nicht in Frage gestellt. Diejenigen Wirtschaftssektoren, die nicht von der Weltmarkteinbindung profitieren bzw. nicht protektionistisch geschützt sind (z.B. die Landwirtschaft oder Teile des Handwerks) oder als einfache Tätigkeiten der innereuropäischen Konkurrenz von Unternehmen und Arbeitskräften ausgesetzt sind (u.a. Bau, Gastgewerbe, Reinigung, Wachschutz) gewähren ihren Arbeitskräften nur eine Existenz als Working Poor. Wer selbst solche Arbeit nicht findet oder sich damit nicht zufrieden geben mag, für die sind unter dem Hartz IV Regime dauerhafte Armut und Zwangsarbeit à la 1-Euro-Jobs die Folge.
Vor diesem Hintergrund ist deutlich,
welche Klassenbasis die CDU anspricht: Sie findet sich zum einen in den
Kernbelegschaften der Privatwirtschaft (z.B. bei Airbus oder beim Springer
Verlag). Weniger Rückhalt hat die CDU in der sozialdemokratisch geprägten
Verwaltung oder in den jüngst privatisierten Staatsbetrieben wie den
Krankenhäusern. Traditionelle soziale Hochburgen der CDU sind der alte
Mittelstand (Handwerk, qualifizierte Selbständige) und das Handels-, Finanz-
und Industriekapital. Den abgehängten bzw. vom sozialen Abstieg bedrohten
Segmenten der ArbeiterInnenklasse als auch demjenigen Teil der Mittelklasse,
der meint, dass der „Pöbel es sich von Ihm nehmen würde“, macht die Volkspartei
CDU sicherheitspolitische Versprechen: Von der „Hauptstadt des Verbrechens“, so
die vorletzte Wahlkampagne der Bildzeitung, zur Metropole mit der niedrigsten
Straßenkriminalität. Die offensive Imagepolitik einer wachsenden und herausgeputzten
Metropole (u.a. durch eine neu aufgestellte Marketing GmbH), ein breiter
Lokalpatriotismus und eine gehörige Portion Klassenchauvinismus der oberen
Zehntausend einer der reichsten Städte Europas, die sich primär in elitären
Privatclubs oder auf dem Polofeld ein Stelldichein geben, scheinen für die
ideologische Herrschaft zu reichen. Revolten oder soziale Bewegungen, wie in
den französischen Vorstädten, sind bisher ausgeblieben. Dort wo sich bisher aus
der Mitte der Gesellschaft breiterer Widerstand gegen die Privatisierung der
Landeskrankenhäuser oder zur Stärkung der Volksgesetzgebung regt, wird die
Mehrheitsmeinung der Bevölkerung von der Parlamentsmehrheit der CDU ignoriert.
Allein die HafenarbeiterInnen haben es zuletzt durch Warnstreiks geschafft, den
Einstieg eines Großinvestors in die städtische Hafengesellschaft zu verhindern,
nicht jedoch den Beginn der Privatisierung durch die Ausgabe von Aktien.
Verwertungsfokus -
die kreativen Einzelnen
Die Hamburger Grün
Alternative Liste (GAL) wirft mit ihrem Konzept der „Kreativen Stadt“ (November
2006) ein weiteres wirtschaftsliberales Konzept in den Ring. Demnach ist „die
Entfaltung der eigenen Kreativität für die Menschen in modernen Gesellschaften
zur wichtigsten Voraussetzung beim Streben nach Glück, Gerechtigkeit und
wirtschaftlichem Wohlstand geworden. Die Entfaltung von Kreativität eröffnet
uns individuell eine bessere Zukunft und trägt allgemein dazu bei, die
Gesellschaft als Ganzes zu entwickeln.“ Viel blumiger lässt sich das
wirtschaftspolitische Konzept der unsichtbaren Hand vom Urvater liberaler
Politik Adam Smith nicht in den heutigen Zeitgeist übersetzen. Wenn alle
individuell mit ihren jeweiligen Fertigkeiten nach ökonomischem Wohlergehen
streben, dann, so der Ansatz von Smith, ergebe sich der gesellschaftliche
Nutzen und Fortschritt zwangsläufig und nahezu von alleine.
In
der Logik klassischer Angebotspolitik stellt die GAL fest, dass sich
Unternehmen dort ansiedeln, wo kreative Menschen leben (auf Bundesebene
sprechen insb. CDU und FDP von Wissensgesellschaft). Auf dem Weg zum
international höchst qualifizierten Standort macht die GAL bei der jetzigen
Senatspolitik im Bundesvergleich jedoch einige Defizite aus: Trotz hoher
Aufwendungen für die allgemeinbildenden Schulen werden nur unterdurchschnittliche
Ergebnisse erreicht. Insbesondere geht der Anteil von Kindern der Zugewanderten
an den Schul- und Ausbildungsabschlüssen zurück. Die Hochschulen sind finanziell
nicht ausreichend ausgestattet, es werden im Vergleich weniger Hochschulabschlüsse
erworben und die Vernetzung wissenschaftlicher Forschung und anwendungsorientierter
Entwicklung ist unterdurchschnittlich. Darüber hinaus ist die
Frauenerwerbsquote von unter 60 % im Vergleich europäischer Großstädte zu
niedrig und die Bürgerbeteiligung (Wahlrecht, Volksentscheide) nicht ausreichend.
Dementsprechend
zielen die Forderung der GAL im Bildungsbereich auf die Verbesserung der
Bildungssituation durch einen ganztägigen Förderungs- und Betreuungsanspruch
von Kindern ab dem ersten Lebensjahr sowie einer Schule für alle mit
individueller Förderung, denn ein „möglichst hoher Bildungsabschluss nützt der
Gesellschaft wie der Wirtschaft“. MigrantInnen ohne legalen Aufenthaltsstatus
sollen ein Recht auf Bildung und gesundheitliche Versorgung haben, damit ihre
„Kreativität nicht unterdrückt“ wird. Das heißt, eine liberale
Flüchtlingspolitik begründet sich ebenfalls aus einem umfassenden
kapitalistischen Verwertungsinteresse; keine menschliche Ressource der Stadt
soll für die globale Wettbewerbssituation ungenutzt bleiben. Den
Langzeitarbeitslosen sollen „staatliche Beschäftigungsmöglichkeiten mit
Qualifizierung und eindeutiger Integrationsorientierung“ eröffnet werden, damit
sie „ihre Fähigkeiten entwickeln und dem Gemeinwesen nützen“. Zusätzlich soll
die Existenzgründung von MigrantInnen durch Wirtschaftsbüros in den Stadtteilen
unterstützt werden. Bei der Frauenförderung fokussiert sich der Blick auf die
Mittelklasse, indem die Beschäftigungsquote durch „Karriereplanung in
Wissenschaft und Forschung oder Existenzgründungen und öffentliche
Kinderbetreuung“ erhöht werden soll. Insgesamt soll Hamburg „ihren
BewohnerInnen bestmögliche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen, die für kreative
Menschen aus aller Welt attraktiv ist“.
Bei
einem solchen programmatischen Ansatz wird deutlich, warum es in Hamburg keiner
FDP mehr bedarf. Die GAL vertritt originär wirtschafts- bis linksliberale
Positionen. Die Gesellschaft wird vom kreativen d.h. scheinbar freien
Individuum her gedacht. Eine Wirtschaftsstrukturpolitik wird nicht entwickelt.
Im Rahmen der sog. Wissensgesellschaft
propagiert die GAL nur eine eindimensionale Angebotspolitik hinsichtlich des
„Humankapitals“. Dass solche Formen der Individualität bzw. ihrer Zerstörung
von gesellschaftlichen Strukturvoraussetzungen abhängen, wird nicht mehr
problematisiert. Stattdessen findet eine ideologische Überhöhung des
bürgerlichen Individualismus mit teilweise alternativem Anstrich statt.
Innerhalb dieses liberalen Settings steht die GAL von ihrer Klassenbasis her
für ein Bündnis der aufstiegsorientierten und dynamischen Mittelklasse mit
Teilen der flexibilisierten und marginalisierten bzw. ethnisierten
PeripheriearbeiterInnen. Teilweise geht diese Klassenstrukturierungen auch ineinander
über: Arbeitslose AkademikerInnen, die nur noch die Aussicht auf hoch flexible
und schlecht entlohnte Anstellungsverhältnisse haben, sind bei der GAL gut
aufgehoben. Von einem GAL-Senat dürften sie mit einem „vernünftigen“
Umschulungsangebot rechnen, um sich marktgerecht verwerten zu lassen.
Die
SPD tritt unter dem Slogan „Menschliche Metropole - das Wachsende Hamburg gestalten“
an (Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Neumann vom 15.5.2006). Wie unter den
SPD-Vorgängerregierungen soll „die richtige Idee der wachsenden Stadt auf den
zentralen Säulen sozialer Fortschritt und ökonomischer Erfolg“ aufbauen. Dabei
bezieht sich die SPD auf die Politik ihres ehemaligen Bürgermeisters Dohnanyi
der die „Weiterentwicklung Hamburgs von ihrer industriellen Basis zu einer
Wissensgesellschaft und zu einem Dienstleistungszentrum“ geschafft habe. „Ein
Gegenmodell macht deshalb weder sprachlich noch inhaltlich Sinn.“ Der
ökonomische Erfolg ermögliche den sozialen Fortschritt durch Erziehung,
Ausbildung, Wissenschaft und Forschung. Die CDU habe den sozialen Fortschritt
insbesondere im Sinne des Ausbaus der Wissensgesellschaft durch Bildungs- und
Forschungsinvestitionen vernachlässigt. Wie die GAL bemängelt die SPD, dass
zwar im Bundesvergleich viel Geld für die Schulbildung ausgegeben wird, damit
aber nicht die entsprechenden Ergebnisse erzielt werden. Als Hochlohnstandort
müssten die Hamburger Wirtschaft und ihre Arbeitskräfte immer so viel besser
sein, wie sie teurer sind als der globale Durchschnitt.
Darüber hinaus macht Neumann für die
SPD aber auch deutlich, dass sie grundsätzlich die Partei der Agenda 2010 ist.
„Ein aktiver und aktivierender Staat baut die Brücke zwischen dem ökonomischen
und dem sozialen Fortschritt.“ Die SPD wird dabei nicht wie in der
Vergangenheit dem „viel hilft viel in sozialen und gesellschaftlichen
Problemlagen erliegen.“ In diesem Sinne ist nach Neumann „jede Arbeit zumutbar,
die nicht illegal ist oder krank macht.“ Grundsätzlich, so Neumann, „gilt der
Grundsatz, dass das Geld erst erwirtschaftet werden muss. In der Vergangenheit
wurde sozialer Fortschritt mit Gleichheit im Ergebnis verwechselt. Damit wurde
die Bedeutung eigener Anstrengung und Verantwortung vernachlässigt.
Sozialdemokratie wurde fälschlicherweise mit Mittelmäßigkeit verbunden, statt
mit Kreativität und herausragender Leistung. Erfolg, Unternehmensgeist wurden
zu häufig zurückgestellt hinter universellem Sicherungsstreben.“ Umgesetzt in
gesamtstaatliches Handeln bedeutet dies, dass sich eine „überschussfinanzierte
Politik des sowohl als auch hin zu einem entweder oder der knappen Kassen“
bewegen muss. Mit dem CDU Senat ist sich die SPD einig, dass nur eine strikte
Ausgabenbegrenzung und damit eine Fortsetzung der Sparpolitik einen
ausgeglichenen Haushalt ermöglicht. Ein wenig hergebrachtes Defizitspending
will sich die SPD noch ermöglichen, indem der Haushaltsausgleich nur über einen
Konjunkturzyklus zu erfolgen hat. Trotz aller Kritik am CDU-Senat, so Neumann,
seien alle Fraktionsmitglieder der SPD „auch Lokalpatrioten, die stolz auf ihre
Stadt sind“.
Mit ihrem Regierungsprogramm vom
29.11.2007 schlägt die SPD auch linkere Töne an: Die Kita-Gebühren sollen
schrittweise bis 2012 abgeschafft, ein Erststudium wieder gebührenfrei werden.
Für Langzeitarbeitslose soll ein Programm sozialversicherungspflichtiger
Arbeitsplätze aufgelegt werden. Die Privatisierung von städtischem Eigentum
soll gestoppt und und kommunale Stadtwerke aufgebaut werden, damit die
BürgerInnen Energie preiswerter beziehen können. Die SPD will jährlich 5000
neue Wohnungen „für Normalverdiener“ (kein sozialer Wohnungsbau) bauen lassen,
das Bücherhallennetz ausweiten und sich für verbindliche Volksentscheide
einsetzen. Interessant ist jedoch, was in diesen Forderungen nicht steckt bzw.
was diesen vorausgegangen ist: Die Ein-Euro-Jobs sind an ihre Kapazitätsgrenze
gestoßen und sollen nicht abgeschafft werden. Die SPD war für wesentliche
Privatisierungen, wie die der Hamburger Electrizitätswerke, verantwortlich. Die
negativen Folgen sollen nun mit Stadtwerken kompensiert werden, anstatt eine
Rückverstaatlichung ins Auge zu fassen. Ein Verzicht auf weitere
Privatisierungen lässt sich heutzutage einfach erklären, da alle wesentlichen
städtischen Unternehmen und Immobilien schon veräußert wurden. Wenn die Kita-
und Studiengebühren abgeschafft werden würden, wäre dies ein Beitrag zur Verbesserung
der Bildungschancen. Der entscheidende Schritt in eine solche Richtung wäre
jedoch die Abschaffung der Gymnasien und der flächendeckende Aufbau von
Gesamtschulen nach skandinavischem Vorbild. Dies schließt die SPD im Hinblick
auf ihr bürgerliches Klientel jedoch aus.
Die Stärkung des Volksentscheides
verbucht die SPD unter der Rubrik Bürgergesellschaft. Ansonsten versteht sie
unter Bürgergesellschaft den Ausbau von Polizei und bezirklichem Ordnungsdienst.
Die SPD beklagt eine „schrumpfende Polizei, die Schließung von
Polizeikommissariaten, sie will mehr Sicherheit und Sauberkeit in den
Stadtteilen und die Strafe muss insb. bei Jugendverfahren auf dem Fuße folgen“.
Diese repressive Politik zielt auf die <<gefährliche Klasse>> der
Marginalisierten, an deren Integration durch Sozialprogramme sie nicht zu
glauben scheint. Letztendlich ordnet sich die SPD damit weiterhin in eine
autoritäre Wettbewerbsformierung ein, wenn ihr Bürgermeisterkandidat Naumann
der Stadt als ehemaliger Bundesminister „Zutritt verschaffen soll in die
Entscheider-Liga der wichtigsten Metropolen der Welt“.
Die Programmatik der SPD steht
insgesamt für ein konservatives Modell der sozialen Marktwirtschaft,
angereichert um Elemente, die sie gegen die Konkurrenz der Linkspartei
absichern sollen. Erst kommt der wirtschaftliche Erfolg in der globalen
Konkurrenz und davon abhängig kann in den „sozialen Fortschritt“ investiert
werden, der sich primär daran bemisst, dass er mit Bildungsinvestitionen weiteren
ökonomischen Erfolg ermöglicht. Insofern knüpft die PostSchröder SPD
unmittelbar an die britische New Labour Party an, wonach sich eine „moderne“
sozialdemokratische Politik an der Bewahrung der reproduktiven Basis misst. Mit
dieser Position stellt die SPD ein Angebot für die politische Mitte dar, um die
sich auch die modernistische Beust CDU bemüht. Von der Rhetorik und den
politischen Forderungen her stellt die SPD ein Klassenbündnis der
Kernbelegschaften und des Handels- und Industriekapitals in Aussicht. Ihre
ehemalige weitergehende Klassenbasis der Marginalisierten und
PeripheriearbeiterInnen findet kaum Beachtung, außer als zu disziplinierende
Masse der zu aktivierenden Langzeitarbeitslosen. Wenn diese sich auch mit
Ein-Euro-Jobs aufgewertet fühlen, dann könnten sie in der SPD eine Heimat
finden.
Gespaltene
Sozialdemokratie
Die Linkspartei
beerbt in Teilen die Hamburger SPD. In Ihrem Sofortprogramm für die Bürgerschaftswahl
„Hamburg für alle – sozial und solidarisch“, fordert sie die Abschaffung der
Hartz IV-Gesetzgebung, insbesondere das Ende der 1-Euro-Jobs und den Aufbau
einer Kindergrundsicherung. Für den öffentlichen Dienst setzt sie sich für eine
Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und ein Ende des Stellenabbaus
ein. Der Staat soll außerdem sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze
schaffen und einen Mindestlohn von 8 Euro garantieren. Ausdrücklich wird der
Schulterschluss mit Forderungen des DGB, insbesondere der Politik der
Dienstleistungsgewerkschaft verdi, hervorgehoben.
Gegen
die Politik des CDU-Senates, die Stadt wie ein Unternehmen zu führen, fordert
sie ein Ende der Privatisierungspolitik. Die ehemaligen Hamburger
Elektrizitätswerke, der ehemalige Landesbetrieb Krankenhäuser und die
Pflegeeinrichtungen sollen wieder in Staatseigentum überführt werden. Statt
einer Privatisierung der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften soll vielmehr
der öffentliche Wohnungsbau ausgedehnt werden. Wie die GAL fordert die
Linkspartei eine Schule für alle. Für alle Kinder soll es eine kostenlose
Ganztagesbetreuung und eine Lern- und Lehrmittelfreiheit geben. Jedem
Schulabgänger ist ein Ausbildungsplatz zu garantieren und die Studiengebühren
sollen wieder abgeschafft und im Gegenzug die Hochschulen demokratisiert werden.
Um diese Forderungen zu finanzieren, sollen die Renommierprojekte
Hafencityausbau, Elbphilharmonie und Ausbau der U-Bahn an den Hafenrand
gestoppt werden, mehr steuerliche Betriebsprüfer eingestellt werden, die
Grund-, Gewerbe- und Erbschaftssteuer erhöht sowie die Vermögenssteuer wieder
eingeführt werden.
Unter
dem Slogan von Willy Brandt „Mehr Demokratie wagen“ will die Linke „mehr Demokratie
und Mitbestimmung in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft“ durchsetzen. Dazu
sollen Volksentscheide verbindlich, die Bezirksversammlungen mit eigenem
Etatrecht zu Kommunalverwaltungen ausgebaut und die Rechte der
Personalvertretungen gestärkt werden. Das Recht auf Versammlungsfreiheit soll
nicht durch Sicherheitsüberlegungen beschnitten werden und Flüchtlingen ein dauerhaftes
Bleiberecht gewährt werden. Das Sofortprogramm schließt mit der Attac-Forderung
„eine andere Welt ist möglich“.
Zur
theoriegeleiteten Begründung ihrer sozioökonomischen Forderungen bezieht sich
die Linkspartei auch auf das Konzept „Alternativen der Hamburger
Stadtentwicklung“ (Hamburg 2006) des Wirtschaftswissenschaftlers Rainer
Volkmann, der neuerdings auch ihr wirtschaftspolitischer Sprecher ist. Im
Gegensatz zu allen anderen Parteien ist nur die Linkspartei in der Lage oder willens,
sich überhaupt einer wirtschaftswissenschaftlichen Fundierung zu bedienen.
Volkmann fordert als Gegenmodell zur Politik der Wachsenden Stadt in klassisch
linkskeynesianistischer Manier eine massive Ausweitung der Beschäftigung durch
den öffentlichen Sektor. Eine Defizitanalyse der privaten und öffentlichen
Güterproduktion (mit dem Ziel Nachfragelücken zu schließen und damit insgesamt
eine Steigerung der Nachfrage zu ermöglichen) würde mögliche Einsatzfelder für
Arbeitslose offen legen. Auch sollen alle staatlichen Ausgaben auf ihre
Beschäftigungswirkung und -intensität (z.B. sind soziale Dienstleistungen
beschäftigungsintensiver als die Förderung industrieller Fertigung) hin
untersucht und entsprechend neu gewichtet sowie die realen Arbeitszeiten
wirksam verkürzt werden. Dann könnte beispielsweise eine aktive Ausgabenpolitik
für Wohnungsbau und Infrastruktur aufgenommen werden, die nicht primär in
Konkurrenz zur Privatwirtschaft steht. Dies wäre auch ein Beitrag zur
Entwicklung der lokalen Ökonomien der Stadt im Gegensatz zu einer von „außen“
herangetragenen und nach „außen“ auf die nicht beeinflussbare
Weltmarktnachfrage ausgerichteten Clusterpolitik für die Großindustrie. Dafür
könnten auch weiterhin Neuschulden aufgenommen werden, da der im
EU-Stabilitätspakt vorgesehene Gesamtschuldenstand Hamburgs erst 50% der Obergrenze
erreicht hat. Im übrigen würden die Reduzierung der Kosten der Arbeitslosigkeit
und die gestiegene Nachfrage zu einer positiven ökonomischen Gesamtwirkung
beitragen.
Die
Linkspartei positioniert sich mit dieser Programmatik als Partei der sozial
Marginalisierten und der zumeist reproletarisierten ArbeiterInnen in den
peripheren Bereichen der Privatwirtschaft, der verbliebenen kämpferischen
Mitglieder des öffentlichen Dienstes und der aktiven Mitgliedschaft der
Gewerkschaften. Diese soziale Basis wird ihr nach den Wahlprognosen einen Platz
im nächsten Landesparlament verschaffen. Die von der Linkspartei geforderte
Stärkung der Nachfrageseite macht die Kapitalverwertung nicht in jedem Fall
profitabler, stabilisiert den Kapitalismus jedoch wenn notwendig auf breiterer
gesellschaftlicher Basis. Dass diese Stabilisierung jedoch zur Zeit noch nicht
erforderlich ist wird auch dadurch deutlich, dass von herrschender Seite nicht
ernsthaft darüber nachgedacht wird, die Linkspartei in Senatskoaliationen
einzubeziehen.
Eine weitergehende, sprich
revolutionäre Perspektive darf mit der Linkspartei nicht verbunden werden. An
keinem Punkt macht sie deutlich, dass ihre humanistischen Reparaturforderungen
an das kapitalistische Regime als Übergangsforderungen zu verstehen sind, die
als Zwischenschritt für eine gesellschaftliche Umwälzung wirken sollen. Wie die
SPD nach dem Godesberger Programm wird die Linkspartei zur (ggf. innovativen)
sozialen Reformpartei des Kapitalismus. Das gilt selbst für den Hamburger
Landesverband, der bundesweit als besonders links eingestuft wird.
Politische Gewinner
und Verlierer der Globalisierung
Schaut man sich das
Gesamttableau der Hamburger Parteien an, dann könnten unter kapitalistischen
Verwertungsgesichtspunkten alle Parteien miteinander koalieren. Die Folge wären
dann teils unterschiedliche Entwicklungspfade, die jedoch alle das
kapitalistische Verwertungsparadigma nicht hinter sich lassen würden. Dass
jedoch nicht alle Koalitionskombinationen realistisch sind, liegt an kulturellen
Unterschieden, mit welchem Politik- und Staatsverständnis agiert wird und
insbesondere daran, welche spezifische Verwertungsstrategie das Kapital selbst
für opportun hält. Die Kapitalstrategie in Hamburg ist auf den Globalisierungswettbewerb
und -gewinn ausgerichtet. Insofern gibt die aggressive CDU Propaganda der
„World Winning Cities“ diesem Bestreben unmittelbar Ausdruck.
In der Person des ehemaligen CDU
Finanzsenators Peiner, des Treibers des Projektes Wachsende Stadt, hatte ein
langjähriger Agent des Finanzkapitals (Peiner war zuvor Leiter eines
Versicherungskonzerns) auch unmittelbar selbst das Finanz- bzw.
Ressourcenressort übernommen. Sollte diese finanzkapitalgetriebene Politik,
wovon auszugehen ist, fortgesetzt werden, dann bedeutet dies noch mehr Privatisierung
von öffentlichen Aufgaben und öffentlichem Raum. Wie in der Hafencity wird dann
das Ob der Finanzierung und die Art der Ausgestaltung eines Stadtentwicklungsprojektes
eine Frage des internationalen Wettbewerbs um kapitalintensive Investitionen sein.
Andere Politikfelder, z.B. Wohnungsbau, Sozial- oder Migrationspolitik erlangen
nur insofern eine Bedeutung, wie sie den Wettbewerbskurs stützen können
(ausreichender Wohnraum für Mittelklassefamilien als SteuerzahlerInnen,
qualifizierte Zuwanderung zur Stärkung/Differenzierung der Angebotsseite) oder,
wie die gegenwärtigen Sozialprogramme für Armutsstadteile, ein Ausbrechen von
sozialen Widersprüchen verhindern und damit Imageprobleme vermeiden.
Die
ehemalige Staatspartei SPD ist nicht wieder zu erkennen. Wie im Bund mit der
sog. Arbeitsmarktreform fährt in Hamburg die CDU die Rendite der
Wirtschaftspolitik der SPD ein. Das Viereck
Hafenausbau, Medienstandort, Airbus und Hafencity hat die SPD unter dem
ehemaligen Wirtschaftssenator Mirow auf die Schienen gesetzt. Wenn die SPD
könnte, würde sie ihre alte und die jetzige Wirtschaftspolitik fortsetzen.
Blickt man zurück auf die Bildungs- und Wissenschaftspolitik der SPD ist zu
bezweifeln, dass sie ein wettbewerbskonformeres Ergebnis erzielt würde. Dazu
ist die SPD noch zu sehr ihrer Klientel bei der GEW verbunden und wird sich
gegen die Interessen der Kaufmannschaft nicht durchsetzen wollen und können,
die Finanzströme teilweise vom Hafenausbau an die Universitäten umzulenken.
Dass die SPD substanziell mehr als die CDU für den sozialen Wohnungsbau oder
die Versorgung der Wohnquartiere mit sozialer Infrastruktur ausgeben würde, ist
bei der avisierten Fortsetzung der Spar- sprich Umverteilungspolitik ebenfalls
nicht zu erwarten. Es würde nur auf das eine oder andere Trostpflaster für
soziale und kulturelle Projekte hinauslaufen.
Den
politischen Kampf um die gesellschaftliche Hegemonie hat die SPD zurzeit aufgegeben.
Denn mit dem Kampf um die Mitte hat sich die SPD in ein strategisches Dilemma
begeben. Die Mitte wurde in den letzten Jahren durch die für die Konservativen
relativ fortschrittliche Beust-CDU besetzt während die liberale Mitte schon
durch die Grünen eingenommen ist. Im Gegenzug verliert die SPD ihre verarmte
oder vom sozialen Abstieg bedrohte Klientel an die Gruppe der NichtwählerInnen
(die nichts mehr von ihr erwarten können), an die Linkspartei (die für den
hergebrachten Sozialstaat kämpft) und an die extreme Rechte, die für die
Vorherrschaft des weißen Mannes gegenüber dem internationalen Proletariat
eintritt. Die SPD schafft es in Abgrenzung von ihrer jüngeren Geschichte nicht,
die Linkspartei als von ihrem Holz zu erkennen und entsprechend zu
vereinnahmen. Bis dahin wird es ihr voraussichtlich nicht gelingen, die CDU als
stärkste Fraktion abzulösen.
Nachfrageorientierte
Reservestrategie
Die GAL ist eher als
die SPD in der Lage, zu einer kapitalistischen Modernisierung beizutragen, weil
sie noch konsequenter auf eine bessere und umfassendere Verwertbarkeit der
Produktivkraft Arbeitskraft setzt. Im Gegensatz zur SPD ist sie auch in der
Lage, die offensive Ausstrahlung einer erfolgreichen bürgerlichen Mitte zu
generieren. Insofern ist sie auch subjektiv in der Lage mit allen Parteien zu
koalieren und sich damit in die Position der Königsmacherin zu begeben. In
einer Koalitionsregierung könnte die GAL das Bildungsressort besetzen und
vielleicht als einzige Kraft eine kapitalistische Modernisierung des
Bildungssystems durchsetzen, die mittelfristig zu einer höheren AbiturientInnenquote,
einer weitgehenden Integration von MigrantInnen und einer besseren Versorgung
der Wirtschaft mit Fachkräften führt. Mit ihrem Blick auf die Förderung von
Existenzgründungen in der Spanne von MigrantInnen bis zur akademischen
Mittelklasse könnte sie in einer Koalitionsregierung auch einen nicht
unerheblichen Beschäftigungsimpuls setzen.
Und
die Linkspartei? Sie wird sich in der nächsten Legislaturperiode der Hamburger
Bürgerschaft daran messen wollen, besonders viele kleine und große
parlamentarische Anfragen zu stellen. Das gesellschaftliche Kräfteverhältnis
wird sie nicht verändern, insbesondere nicht wesentlich zu einer Stärkung
nichtparlamentarischer sozialer bzw. politisch radikaler Bewegungen beitragen.
Das zeigt der Weg aller parlamentarischen Parteien und die Linkspartei hat noch
nicht einmal Schritte unternommen, diesem Integrationsprozess, z.B. durch ein
imperatives Mandat der sozialen Bewegungen, zu begegnen. Sie wird wie bisher
auf Bundesebene durch ihre Präsenz dafür sorgen, dass sich die schon
etablierten Parteien in der einen oder anderen Frage ein wenig rhetorisch nach
links positionieren oder die eine oder andere auch unter bürgerlich-liberalen
Gesichtspunkten Schweinerei aufgedeckt oder gar verhindert wird.
Zu befürchten ist jedoch, dass die
Linkspartei relativ schnell den Weg parlamentarischer Anerkennung und
Respektabilität einschlagen wird und damit auch sozialen Bewegungen keine hinreichende
Unterstützung sein wird. Denn grundsätzlich wäre auch ihr
wirtschaftspolitisches Konzept anschlussfähig. Eine Nachfragesteuerung der
Wirtschaft durch eine massive Ausdehnung der Beschäftigung ist zur Zeit jedoch
nicht erforderlich, da die internationale Flexibilisierungsdynamik eine
ausreichende Einbeziehung auch der Working Poor in die Verwertungsdynamik
erlaubt (s.o.). Sollte dies eines Tages nicht mehr der Fall sein, würde sich
das Kapital auch der Linkspartei bzw. ihrer Programmatik bedienen. Ein reelles
Finanzierungskonzept durch eine Umschichtung weg von einer kapitalintensiven
Produktion und die Erhöhung insbesondere der Substanzbesteuerung (Gewerbe-,
Grund-, Vermögen) wäre auch vorhanden. Ein im engeren Sinne positives
Stadtentwicklungskonzept, besitzt die Linkspartei jedoch nicht. Ein Stopp der
Privatisierungspolitik und der Renommierprojekte sowie eine Bildungsoffensive
reichen noch nicht für ein Konzept sozialer Stadtentwicklung. Insofern hat die
Linkspartei noch ein gutes Stück Weg vor sich, wenn sie die SPD nicht nur hinsichtlich
der Beschäftigungs- und in Teilen der Fiskalpolitik ersetzen will. Ein linker
Aufbruch wäre jedoch auch dies nicht.
gruppe commode,
Hamburg Dezember 2007
Monitor Wachsende Stadt 2007 – eine spaltende Bilanz
Im dritten Jahr in Folge legt die Landesregierung eine
statistisch-quantitative Auswertung der sozioökonomischen Entwicklung Hamburgs
vor. Mit dieser Erhebung will sich die Stadt an den vier Oberzielen des
Programms Wachsende Stadt, nämlich einem Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum,
der Erhöhung der EinwohnerInnenzahl, einer Steigerung der internationalen
Attraktivität und der Sicherung der Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit messen
lassen. Auch wenn die Zahlenreihen von 2000 bis 2006 als erfolgreich verkauft
werden und sich die Hansestadt als wachsende Stadt feiern lässt (zuletzt im
September im Spiegel mit einer Titelstory und einem umfangreichen Extraheft)
ist die Stadt selbst nach ihren eigenen Vergleichszahlen und der von ihr
gewählten Methodik nicht erfolgreich. Zu den Ergebnissen im Einzelnen:
Ø Hamburg
hat zwar im Vergleich der Bundesländer nach Bayern das stärkste Wachstum des
Bruttoinlandproduktes, dies wird jedoch durch eine wesentliche höhere
Schwankung als im Bundesdurchschnitt erkauft. Im Rezessionsjahr 2003 stagnierte
das Wachstum in der BRD bei -0,2 %, in Hamburg ging es fast 2 % ins Minus, dem
zwei Jahre vorher noch ein Plus von 4,1 % gegenüber stand. Für den
überdurchschnittlich an der Weltkonjunktur ausgerichteten Arbeitsmarkt in
Hamburg zieht dies noch größere Schwankungen nach sich.
Ø Die
wirtschaftlich herausragende Stellung im Bundesvergleich wird auch daran
deutlich, dass die Bundeshauptstadt Berlin zwar fast doppelt so viele Einwohner
hat wie Hamburg, jedoch ein kleineres Gesamtbruttoinlandprodukt besitzt als
Hamburg. Im Vergleich des Bruttoinlandproduktes pro Erwerbstätigem muss sich
Hamburg nur leicht hinter der Finanzmetropole Frankfurt/M einordnen.
Ø Im
europäischen Vergleich sieht die Wettbewerbsposition dagegen nicht so gut aus.
Ähnlich entwickelte Regionen wie Kopenhagen/Malmö oder Mailand liegen im
Wirtschaftswachstum der letzten Jahre deutlich von Hamburg. Im Vergleich des
Bruttoinlandproduktes pro Erwerbstätigem wird Hamburg vom Konkurrenzhafen
Rotterdam in den letzten Jahren auf den zweiten Platz verdrängt, während die
anderen Konkurrenten zunehmend aufholen.
Ø Bei den
Forschungs- und Entwicklungsausgaben ist Hamburg in den letzten Jahren im Vergleich
der Bundesländer vom 9. auf den 12. Platz zurück gefallen. Dies ist nur zum
Teil auf die relativ geringe industrielle Basis zurückzuführen, u.a. liegen die
Stadtstaaten Berlin und Bremen deutlich vor Hamburg, wie auch die Länder
Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, die über eine geringere
Finanzkraft verfügen. Auch bei der Drittmitteleinwerbung befindet sich Hamburg
im Großstadtvergleich nur im unteren Drittel. Die Hamburger Pfeffersäcke geben
traditionell dem milliardenschweren Ausbau des Hafens den Vorrang und vertrauen
darauf, dass sich Innovation aus den internationalen Handelsbeziehungen sowie
der Zuwanderung von Unternehmen und qualifizierten Arbeitskräften ergibt.
Ø Im Zuwachs
der Erwerbstätigen liegt Hamburg im Vergleich der deutschen Städte nur im Mittelfeld,
wobei die leichten absoluten Zuwächse im Wesentlichen auf die Unternehmensdienstleistungen
und die Luftfahrtindustrie sowie auf das Wachstum der Selbständigen (einschließlich
der Scheinselbständigen, wobei Hamburg noch das höchste Wachstum an Sozialversicherungspflichtigen
besitzt) im Gast- und Verkehrsgewerbe zurückzuführen ist.
Ø Im
Vergleich der Arbeitslosenquote der bundesdeutschen Großstädte befindet sich
Hamburg im letzten Drittel und es ist ein kontinuierlicher Anstieg bis 2005 zu
verzeichnen. Auch bei den Langzeitarbeitslosen und SozialhilfeempfängerInnen
liegt Hamburg weit abgeschlagen hinter München, Stuttgart und auch noch hinter
Frankfurt/M und Düsseldorf. Auch bei der Höhe der Jugendarbeitslosigkeit
befindet sich Hamburg im letzten Drittel.
Ø Hamburg
hat im Großstadtvergleich den höchsten Anteil von Jugendlichen die keinen Schulabschluss
erwerben. Der Abstand ist den letzten Jahren noch gewachsen. Auch der Anteil
nichtdeutscher SchulabgängerInnen ohne Schulabschluss stieg stark an, so dass
sich Hamburg jetzt mit großem Abstand den letzten Platz mit Berlin teilt. Der
Anteil Nichtdeutscher an der dualen Ausbildung sank im gleichen Zeitraum um
25%. Der Anteil der SchülerInnen mit Hochschulreife stieg dagegen leicht und
liegt nur hinter Düsseldorf. Im Bildungssektor (als Indikator der zukünftigen
Entwicklung) ist also eine scharfe Spaltung zwischen dem oberen und unteren
Drittel zu beobachten und steht es um die sogenannte Zukunftsfähigkeit
schlecht, wenn vorausgesetzt wird, dass der internationale Wettbewerb einen
immer größeren Anteil höherer Berufsqualifizierungen verlangt.
Ø Vor diesem
Hintergrund ist besonders die Entwicklung der Einkommen der privaten Haushalte
interessant. Die verfügbaren Einkommen sind in Hamburg seit 2000 doppelt so
stark gestiegen wie im Bundesdurchschnitt und Hamburg hat sich vorbei an
Düsseldorf und München an die Spitze gesetzt. Aus einer Zusammenschau der
Zahlen zur Arbeitslosigkeit, der (Schul)Bildung und der Einkommensentwicklung
lässt sich eindrucksvoll die auch im Großstadtvergleich tiefe soziale Spaltung
in Hamburg ablesen. Während insgesamt die Einkünfte in Hamburg um 20% wachsen,
jedoch die Arbeitslosigkeit steigt und in Hamburg wie im Bund Reallohnverluste
zu verzeichnen sind, kann der stark überproportionale Anstieg der Einkünfte nur
aus Kapitaleinkünften erklärt werden. In Hamburg sind also das Kapital und
seine Nutznießer die eigentlichen Gewinner des Globalisierungswettbewerbes.
Ø Während
Hamburg und die meisten anderen deutschen Großstädte in den letzten Jahren ein
leichtes Bevölkerungswachstum von durchschnittlich 0,5% pro Jahr erzielen
konnten, sticht nur München mit einem Zuwachs von durchschnittlich 1,3% heraus.
Berücksichtigt man, dass es auch im Bundesdurchschnitt über den gleichen
Zeitraum weiterhin einen leichten Zuwachs von ca. 0,2% gab, dann spiegelt sich
in dem Zuwachs von Hamburg nur die weiterhin anhaltende Urbanisierungstendenz.
Gemessen an der im Verhältnis größeren wirtschaftlichen Dynamik Hamburgs hätte
der Zustrom an Arbeitskräften eigentlich deutlich größer ausfallen müssen.
Bevölkerungspolitisch kann also weder absolut noch relativ von einer wachsenden,
sondern muss in Hamburg vielmehr von einer stagnierenden Stadt gesprochen
werden.