Nach
den Mobilisierungen im Zusammenhang mit der Räumung des Bambule-Wagenplatzes ab
November 2002 hat nun anlässlich des begonnenen Umbaus des alten Wasserturms im
Schanzenpark zu einem Luxushotel ein neuer – noch diffuser – widerständiger
Mobilisierungsschub das Alternativmilieu des Schanzenviertels samt teilweise
reformistischer PolitstrategInnen und diverser Jugendszenen erfasst. Teile der
radikalen Restlinken sorgen wie bei der Bambule-Kampagne für ein Minimum an Organisierung
der Demonstrationen und der meist symbolischen Aktionen. Inhaltlich richten
sich die Demos und Aktionen bisher hauptsächlich gegen die durch Luxushotel
(und Messeerweiterung) getriebene Aufwertung und Umstrukturierung des
Schanzenviertels und die zukünftig eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten des
Parks für alle nicht ganz "normalen Menschen" (O-Ton der Wasserturm
Projektentwicklungsgesellschaft Patrizia).
Damit nicht wie bei der
Bambule-Mobilisierung vor zweieinhalb Jahren eine eindimensionale inhaltliche
Ausrichtung in eine politische Sackgasse führt und die Chance vertan wird, an
den Auseinandersetzungen um den Wasserturm systemkritische Perspektiven gegen
die Politik des Senats zu entwickeln, wollen wir die Auseinandersetzungen und
Debatten der autonomen Linken zu Umstrukturierung (selbst)kritisch reflektieren
und in den Gesamtkontext der fortschreitenden Aufwertung der westlichen
Innenstadt einordnen. Wir wollen dafür werben, den Mobilisierungsschub für eine
Verbreiterung linksradikaler Politikansätze zu nutzen.
Der
Hotelneubau im Wasserturm des Schanzenparks hat gegenwärtig das Potential,
zumindest halb so viel Aufmerksamkeit zu erregen wie vor 16 Jahren der Versuch,
in der Roten Flora ein Musical Palast entstehen zu lassen. Der Kampf gegen das
Musical und unmittelbar daran anschließend um die Durchsetzung einer Roten
Flora war Höhepunkt und Abschluss von Häuserkämpfen im Schanzenviertel bzw. in
St. Pauli. Vorausgegangen waren die meist erfolgreichen Auseinandersetzungen um
die Hafenstraße, den Pinnasberg oder die Schanzenstraße. Vor dem Ende der alten
Bundesrepublik war die autonome Linke damals auf dem Höhepunkt ihrer
Mobilisierungsfähigkeit. Der Kampf gegen die Nato und die Atompolitik sowie
gegen städtische Umstrukturierung wurde häufig von verbindlichen und vernetzten
Gruppen getragen, denen zumindest im Ansatz eine Verbindung von
Kampagnenfähigkeit, inhaltlicher Auseinandersetzung und militanter Durchsetzung
(im Sinne von staatliche Regularien hinter sich lassen und die politische
Aktion daran zu messen, inwieweit sie Gegenmacht entfalten) gelang.
Auch damals war nicht alles Gold, was
glänzte. Der partielle Erfolg gegen die Umstrukturierungsinitiativen gipfelte
in der Parole „Den Widerstand in den Vierteln organisieren“. Das Viertel als
solches bzw. dessen BewohnerInnen wurden als widerständiges oder gar
revolutionäres Subjekt vorgestellt. Diese Interessenidentität war jedoch nicht
vorhanden und hatte als Vorstellung auch nur den Bezug auf die Arbeiterklasse
durch kommunistische Gruppen abgelöst. Der Großteil der MigrantInnen war in den
70er und 80er Jahren nach St. Pauli gezogen, um preiswert zu wohnen und nicht,
um sich dagegen zu wehren, dass der Wohnraum teurer wird. Ihre politischen
Aktivitäten richteten sich, wenn überhaupt, gegen die Regime in ihren
Herkunftsländern (insbesondere der Türkei). Vielfach zwang der ungesicherte
Aufenthaltsstatus, sehr genau abzuwägen, inwieweit eine Konfrontation mit der
Staatsmacht überhaupt möglich ist. Die eingeborene kleinbürgerliche und
proletarische Bevölkerung hatte sich nur an ihren Rändern eine gewachsene
Staatsskepsis bewahrt. Der größere Teil fühlte sich durch das neu hinzugezogene
studentisch-linke Milieu ebenso irritiert wie durch die staatlichen
Aufwertungs- und Sanierungsvorhaben. Die Skepsis bezog sich berechtigterweise
nicht nur auf den libertären Lebensstil der neuen Mittelklasse, sondern auch
auf die zahlreichen Wohngemeinschaften, die den Vermietern erhebliche
Mietsteigerungen erlaubten.
Die Träger des Protestes waren auch damals
schon linke AktivistInnen und ein Teil der entstehenden grün-alternativen
Mittelklasse. Heute haben sich die Vorzeichen für den Protest geändert. Während
damals die Zusammenarbeit mit einem bestimmten Klientel abgelehnt wurde, ist
diese heute ein Teil der Initiative, die gegen den Umbau kämpft. Das
Klageverfahren gegen den baurechtswidrigen Umbau des Wasserturms wird von einem
benachbarten Wohnprojekt geführt. Die sozialen Träger der Linken in St. Pauli
Nord sind nicht nur persönlich älter geworden, sie sind auch arrivierter und
wehren sich aus ihrer etablierten Mittelklasseposition gegen die weitere
Privatisierung von öffentlichen Räumen, die auch ihre individuelle und
kollektive Reproduktion erschweren.
Das Zurückgeworfen-Sein vieler Linker auf
ihre Mittelklassenherkunft und die politische Marginalisierung der Linken,
insbesondere ihrer Organisationsfähigkeit, hat zur Folge, dass nicht mehr von
der Aktion eines homogen(isiert)en revolutionären Subjekt geträumt wird,
sondern „nur“ noch – letzte Freiräume verteidigend – die autoritäre Formierung
einer aggressiven wirtschaftlichen Wachstumsstrategie bekämpft wird. Der
Zusammenhang von neuem Polizeigesetz (z.B. vermehrte Videoüberwachung,
vierzehntägige Schutzhaft, halbjährliche Platzverweise, verstärkte
Abhörmöglichkeiten oder polizeilicher Todesschuss), Rassismus, Verarmung durch
Hartz IV und andere "Sozialreformen", die Privatisierung und
Normierung letzter öffentlicher Räume wird vielfach gesehen. Ob der eigene
Beitrag zur fortgesetzten Aufwertung der westlichen Innenstadt realisiert wird,
ist dagegen zweifelhaft. Der "alternative" Kneipen-, Wein-,
Spielzeug-, Buch-, Beerdigungs- oder Sonstwasladen, das Wohnprojekt oder der
pädagogisch wertvolle Kindergarten sind der Humus, auf dem die Innenstadtattraktivität
von St. Pauli Nord gedeiht.
Dabei sind Linke und alternative
Mittelklasse Teil eines doppelten Prozesses. Einerseits nahm sie teilweise eine
Pionierfunktion wahr, unterliegt dabei aber auch selbst, wie die gesamte
städtische Entwicklung, der kapitalistischen Verwertungsdynamik, die altes
zerstören muss, um Neues profitsüchtig aufzubauen. Dabei ist die
(Nicht)Auseinandersetzung mit der Aufwertung durch die Linke durchaus
zweischneidig. Neben der Frage, was die Unterstützung von Aufwertungsprozessen
für die eigene politische Rolle und Praxis heißt, wäre auch ein kollektiver
Reflektionsprozess notwendig, inwieweit bestimmte Aufwertungs- bzw.
Entwicklungsprozesse unter sozialen Gesichtspunkten nicht teilweise auch zu
begrüßen sind. Spielplätze im Schanzenpark steigern den Wohnwert, sind aber
auch notwendig, damit sich kleinere Kinder überhaupt draußen bewegen können.
Insofern hatten die Kampagnen der siebziger und achtziger mit Forderungen nach
Mietpreisbindung, Mietboykott oder Vergesellschaftung des Wohnraums durchaus
einen umfassenderen emanzipativen Gehalte. Der politische und soziale Rückzug
von Linken auf ihre Wohnprojekte (oder auch Wagenburgen), die vor 15 Jahren
noch militant durchgesetzt und später teilweise mit städtischen Mitteln gefördert
wurden, hatte somit immer auch ein Moment von Rückzug aus der
gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung und Aufbau einer (klein-)
bürgerlichen Nische.
Die
gezielt betriebene Aufwertung der westlichen Innenstadt begann unter Bürgermeister Dohnanyi in den frühen achtziger Jahren.
Erst kam eine teilweise kleinteilige Wirtschaftsförderung, dann die Einrichtung
von Sanierungs- und Entwicklungsgebieten unter Mitwirkung der STEG
(Stadtentwicklungsgesellschaft) und zum Ende der neunziger Jahre noch unter
Rot-Grün die Vertreibung der offenen Drogenszenen. Diese Umstrukturierung der
westlichen Innenstadt ist daher heute weitestgehend abgeschlossen. Sie kann
nicht mehr aufgehalten werden, auch wenn in den nächsten Jahren noch neue
Projekte geplant und umgesetzt werden. Dass der Wasserturm erst jetzt von einem
Projektentwickler als attraktiv angesehen wird (vor einigen Jahren ging ein
Versuch schief), überrascht nicht, da der Turm durch Messe-Vergrößerung und die
Anbindung durch einen Tunnel nur noch wenige 100 Meter entfernt sein wird.
Für die Aufwertung der westlichen
Innenstadt stellt der Hotelbau im Wasserturm keinen wesentlichen Meilenstein
dar. Die Entscheidung von vor einigen Jahren, die Hamburger Messe
innerstädtisch auszubauen und nicht auf der grünen Wiese neu zu errichten, war
ein vielfach gravierenderer Schritt. Um die Erweiterung der Messe gab es kaum
Auseinandersetzung und keinen Widerstand.
Wenn die Messe in einem bis anderthalb
Jahren ausgebaut ist, werden Verkehr und Besucherströme noch einmal stark
zunehmen. Dies wäre, wenn überhaupt, insofern ein Angriffspunkt gewesen, weil
die Messeerweiterung noch einmal zu einer einschneidenden Veränderung des
Verkehrsaufkommens und -flusses (mit der Öffnung nicht nur zum Karolinen-,
sondern auch zum Schanzenviertel) und zur Veränderung in der Angebotsstruktur
von Läden, Kneipen etc. für die MessebesucherInnen führen wird. Nicht weniger
bedeutend in der Mikrostruktur und damit auch in der kumulierten Gesamtheit ist
die Politik, alle Baulücken zu schließen, alle Hinterhöfe einer Verwertung
zuzuführen oder die Piazza gegenüber der Flora zu inszenieren. Alles zusammen
trägt wesentlich zu einer Erhöhung der durchschnittlichen Mieten bei.
Positiv gedacht könnte Messe, Dom und die
FC St. Pauli Spiele auf dem Heiligengeistfeld aber auch einen relativen Schutz
gegen eine weiter „Eppendorfisierung“ von St. Pauli Nord darstellen. Denn
welcher Vertreter der gehobenen Mittelklasse möchte schon von Besuchermassen,
Verkehr und Lärm erdrückt werden. Gegenwärtig ist ein relativ stabiler Zustand
im Schanzen- und Karolinenviertel erreicht worden. Während sich südlich der
Simon von Utrecht Strasse Rotlicht- und Schmitz Tivoli-Kundschaft drängelt und
östlich der Wallanlagen teuerste Shoppingwelten locken, bieten Karo- und
Schanzenviertel peppig-schicke Einkaufs-, Galao- und Cocktailwelten. Und die
linken und alternativen Produktions- und Reproduktionsstrukturen sind nicht nur
eine ökonomische Voraussetzung dieser neuen Inwertsetzung gewesen, sie sind in
ihrem Überleben mittlerweile vielfach von dieser Akkumulationsstruktur
abhängig.
Noch
in den 90ern war das Schanzenviertel Experimentierfeld für ein rot-grünes
integratives Regulationsmodell. Die symbolische Beteiligung der AnwohnerInnen
(zumindest derjenigen, die artikulationsfähig sind) wie zum letzten mal bei der
Planung des Messeausbaus ist heute nicht mehr gefragt und notwendig. Teilweise
zeigte auch das an soziale Projekte gezahlte Schmiergeld aus dem Turmverkauf
seine Wirkung. Auf der städtischen Ebene äußert sich der Paradigmenwechsel zum
autoritären Wettbewerbsstaat in einer hemmungslosen Kürzungs- und
Privatisierungspolitik. Eine öffentliche bzw. gemeinnützige Nutzung des
Wasserturms, flankiert von staatlichen Investitionen, ist deshalb grundsätzlich
nicht mehr im Angebot.
Zur Zeit scheint der kapitalistische
Wettbewerbsstaat auf dem Höhepunkt seiner historischen Durchsetzungsfähigkeit
angekommen sein. Eine ökonomische und soziale Alternative scheint nicht
vorstellbar. Mit der immer unumschränkteren Entfesselung des
Kapitalverhältnisses gehen immer neue Wellen der Flexibilisierung,
Beschleunigung der ökonomischen Prozesse und der Vernetzung und globalen
Integration von Metropolregionen einher. Auf der sozialen Seite wächst die
Atomisierung, Entdemokratisierung und Entrechtlichung. Die Kombination
modernistischer, d.h. kapitalzentrierter ökonomischer Wettbewerbsstrategien mit
revanchistischen Regulationsstrategien, die in zunehmend autoritären
Handlungsformen münden, haben sich zum jetzigen Zeitpunkt als dauerhaft und
stabil etabliert (eine ausführlichere Darstellung dieser Entwicklung findet
sich unter www.demontage.org/Archiv/Rechtspopulismus
in Hamburg).
Anstatt über den Betriebsrat oder einen
Sanierungsbeitrat einen vermeintlichen Konsens zu suchen, werden die einzelnen
Projekte Top Down entschieden und mit publizistischer Begleitung und – wenn
nötig – mit unmittelbar repressivem Einsatz durchgesetzt. Gleichzeitig findet
eine Privatisierung von ehemals öffentlichen Aufgaben statt, indem sie in
sogenannten Public Privat Partnerships organisiert werden.
Massive Polizeieinsätze sind eine
Demonstration autoritärer Wettbewerbsstaatlichkeit im doppelten Sinn. Sie
machen mit Gewalt den Weg für eine Baustelle oder die Schließung einer sozialen
Einrichtung frei. Gleichzeitig signalisieren sie dem Kapital auch, dass der
Senat Investitionsentscheidungen bedingungslos unterstützen wird. Bei der
Airbus Landebahnverlängerung und dem Versuch der Enteignung der Grundeigentümer
unter Umgehung hergebrachter rechtsstaatlicher Standards (mit einem Gesetz, in
dem eine Gemeinwohlenteignung aus dem Profit eines multinationalen Konzerns
abgeleitet wird) äußert sich ebenfalls eine aggressive Wirtschaftspolitik.
Gefangene werden nicht gemacht, statt Polizeiknüppel einzusetzen wird das
bürgerliche und öffentliche Recht gebrochen. Und auch hier wird das Vorgehen
immer wieder unter Verletzung der Privatsphäre durch die verleumderische
Springer Presse unterstützt, die ihr quasi Pressemonopol in die Waagschale
wirft.
Die
mit dem Hotelbau und vielleicht später Hotelbetrieb einhergehende
Privatisierung eines ehedem öffentlichen Raumes ist sinnlich für jede/n
erfahrbar. Dies wird jetzt während der Bauphase durch die ständigen
Polizeiaktionen im Park noch einmal direkter deutlich. Die Hotelprivatisierung
ist jedoch lediglich eine weitere Etappe, die in die Vertreibungspolitik im
Schanzenviertel einzuordnen ist. Bis Mitte der neunziger Jahre hatte sich der
Park nicht nur zu einem vielgenutzten Treffpunkt für die BewohnerInnen der
umliegenden Wohngebiete entwickelt (viel anderes Grün gibt es nicht). Nach der
Vertreibung der Drogenszene u.a. vom Hauptbahnhof wurden im Schanzenpark auch
Drogen verkauft, was ab 1997 auch eine Hetzkampagne der Springerpresse und des
Regionalfernsehens nach sich zog. Zunehmend ging noch unter Rot-Grün die
Polizei immer schärfer gegen alle vermeintlichen oder realen Drogendealer vor,
was überwiegend an einer schwarzen Hautfarbe festgemacht wurde. Diese
Entwicklung ging mit einer rassistischen Stimmung unter Teilen der ansässigen
Bevölkerung einher. Auch im Alternativmillieu tauchten Positionen auf, wonach
die Kinder nicht mehr auf die Strasse könnten, weil sie durch Drogenabhängige
gefährdet wären. In diesen vielfach öffentlich geführten Auseinandersetzungen
ist Ronald Schill weitergehend über die Medien bekannt geworden (insbesondere
in Diskussionen mit AnwohnerInnen, in denen er rassistische
Argumentationsmuster verstärkte und auf den populistischen Punkt brachte).
In der Linken entbrannte eine
Auseinandersetzung, wie mit dieser Entwicklung umzugehen sei.
Sozialrevolutionäre Gruppen argumentierten, man müsste die „Sorgen“ der
AnwohnerInnen ernst nehmen und ihnen zeigen, wer ihre eigentlichen
(Klassen)Feinde seien. Antirassistische und antinationale Gruppen sowie die
Rote Flora traten dafür ein, dass Rassismus in keiner Form und von keiner
Person hingenommen werden könne und dass auch Widerstand gegen die Repressionspolitik
gegenüber der Drogenszene notwendig sei. Obwohl zunächst versucht wurde, die
Kontrollen und Razzien der Polizei zu stören oder hinter der Roten Flora ein
provisorischer Druckraum eingerichtet wurde, hatten die Bullen den längeren
Atem. In den letzten Jahren (auch nach der Auflösung der Drogenhilfeeinrichtung
Fixstern neben der Flora unter Schwarz-Schill) gelang die Vertreibung der
Drogenszene aus dem Schanzenviertel fast vollständig.
Vor dem Hintergrund dieser Geschichte ist
es schwer, einen gänzlich positiven Bezug auf eine "Verteidigung des
Parks" zu entwickeln. Denn in der zugespitzten Situation ab 1997 kam es
nicht zu einer gemeinsamen Verteidigung des Prinzips „öffentlicher Raum“ durch
AnwohnerInnen oder das Alternativmillieu, vielmehr verteidigten die Einen den
Park gegen die Polizei und die Anderen gegen die Dealer. Die Polizeieinsätze
gegen die Drogenszene wurden hierbei von vielen wohlwollend zur Kenntnis
genommen. Weil der Park nun schon seit einigen Jahren weitgehend „Dealer-frei“
ist, stellt der Sozialchauvinismus von Teilen der lokalen Bevölkerung gegen die
Drogenszene auch eine der notwendigen historischen Bedingung für die
Attraktivität des Wasserturms bei den Investoren dar.
Neben
der schon jetzt fast 100% durchgesetzten Normierung des öffentlichen Raumes im
Schanzenpark durch die Bullen geht es deshalb jetzt von beiden Seiten primär um
eine ideologische Auseinandersetzung. Auffällig ist, dass nicht mehr wie Anfang
der neunziger Jahre alternative Nutzungskonzepte gefordert bzw. vorgeschlagen
werden. Es besteht anscheinend kein Interesse mehr an sozialen Räumen,
vielleicht weil es genügend gibt (z.B. gibt es in der Flora immer wieder
Phasen, in denen es an einer breiteren Nutzung mangelt) oder weil nicht mehr in
"Gegen"welten gelebt bzw. gedacht wird. Es spricht aus unserer Sicht
jedoch auch nichts dagegen, eine Nichtnutzung vorzuschlagen und damit Position
gegen eine fortlaufende Verwertung aller Räume zu beziehen.
Bezirksverwaltung, Stadtregierung und Springerpresse
sehen sich in einem Prestigekampf mit der linken Szene. Hotelraum für das
Projekt Wachsende Stadt und die Messe ist genug vorhanden. Eine erneute
Niederlage um die Verwertung des Wasserturms (wie schon in den 90er Jahren)
möchten die Verantwortlichen dagegen nicht einstecken. Das könnte sonst für
(überregionale) Schlagzeilen sorgen. Auch wird der Verfassungsschutz von der
nicht ganz unberechtigten Sorge umgetrieben, dass in der Auseinandersetzung um
den Wasserturm einer neuer Kampfzyklus entstehen könnte, der ähnlich wie bei
Bambule zu einer Konzentration der Kräfte auf der Linken und darüber hinaus
führt. Insofern sollte die Linke den Hotelprojektbetreibern und der Hamburger
Innenbehörde vielleicht dankbar sein, dass sie zusammen zu einem weiteren
Überleben einer radikalen Restlinken in Hamburg beitragen.
Fraglich ist jedoch, ob es auf Seiten der
Linken einen Lernerfolg hinsichtlich der vielen Jahre Auseinandersetzung um
Aufwertung und Vertreibung gibt? Denn eigentlich sollte es in der Linken ein
gemeinsames Verständnis davon geben, dass es sich bei dem Kampf gegen den
Wasserturm nicht um einen Kampf gegen die Aufwertung der umliegenden
Wohngebiete oder gar um einen Kampf gegen die Wachsende Stadt handelt, sondern
höchstens um einen Kampf um die Art und Weise der Aufwertung: Eine Form der
Aufwertung würde den alternativen Mittelschichten entgegen kommen, nämlich
dann, wenn der Park kollektive Spielweise bleibt. Und eine andere, die einen
erhöhten Kapitaleinsatz voraussetzt, sei es für Hotel- oder Messebauten, geht
auf das Konto der kapitalbesitzenden Bourgeoisie, die, um es räumlich zu
versinnbildlichen, in Harvestehude oder Blankenese residiert.
Der Kampf gegen einen Ausbau des
Wasserturms ist trotz allem sinnvoll und notwendig, und sei es nur deshalb, um
auch zukünftig an einem Wintertag den Berg hinunter rodeln oder an einem
Sommerabend ohne Aufwand den Straßenschluchten entkommen zu können. Die
Wahrscheinlichkeit, dass das Wasserturmprojekt scheitert, ist auch größer als
die Wahrscheinlichkeit vor zwei Jahren, Bambule gegen den Rechtssenat
durchzusetzen. Damals musste sich der Senat fragen, ob er bereit ist den
möglichen politischen Preis für eine fortgesetzte Auseinandersetzung zu zahlen.
Im übrigen war eine umfassende Repression auch an das Politikmodell von Schill
gekoppelt. Beim Wasserturm könnten die Investoren kalte Füße bekommen.
Eine Durchsetzung von Bambule wäre
politisch jedoch bedeutender gewesen, da sie deutlich gemacht hätte, dass sich
gesellschaftlich marginalisierte Gruppen erfolgreich zur Wehr setzen können.
Vor dem Hintergrund der forcierten Verarmungspolitik wäre dies ein wichtiger
Erfolg mit Nachahmungswert gewesen. Sollte der Wasserturm scheitern, hätten
Senat oder Bezirk zwar einen Imageverlust, aber keinen wirklich materiellen
Schaden. Eines unter hundert Investitionsprojekten wäre fehlgeschlagen. Der
Umbau der Messe verschlingt dagegen ein Vielfaches des Investitionsvolumens und
besitzt strategische Bedeutung für den Wirtschaftsstandort.
Die eigentlichen Kampffelder von Linken sollten die Bereiche sein, in denen das tägliche Elend organisiert wird: Die Vertreibung von Flüchtlingen, die massive Verarmung derjenigen, die keine Arbeit mehr finden können, die Schließung von Frauenhäusern, das Einsetzen von Brechmitteln, das Wegsperren von Kindern in Heimen, der Polizeiknüppel im Genick derjenigen, die nur sagen wollen, was Ihnen nicht gefällt, das Schließen der letzten Bildungseinrichtungen in den subproletarischen Ghettos von Jenfeld oder Wilhelmsburg und und und. Was diesen Ausgrenzungsprozessen durch die Mittelklassenlinke entgegen gebracht wird, ist moralische Empörung. Diese trägt jedoch, wie unser aller eigene historische Erfahrung zeigt, nicht besonders weit. Richtig in Schwung kommen Linke in diesem Jahrzehnt anscheinend nur, wenn der Bambulevorgarten im Karolinenviertel oder ein Parkzipfel im Schanzenpark tangiert ist. Vielleicht kommt auch Romantik auf, dass jetzt noch einmal ein bisschen ums Viertel gekämpft werden kann wie ehedem. Und irgendwann steht dann der vorletzte Kampf um die Rote Flora an, wobei es an diesem Punkt für die Restlinke tatsächlich um mehr als nur um einen Parkzipfel ginge.
Wesentlichen Anteil an der
Mobilisierungsdynamik für die relativ vielen Unorganisierten auf den Demos
haben vor allem die als "unverhältnismäßig“ und "überzogen"
wahrgenommenen Polizeiaufmärsche bei den Demos und den Kleinaktionen im Park.
Die Bullenrepression stellt deshalb wie bei Bambule einen Mobilisierungsfaktor
dar. Gleichzeitig tragen die eigenen kleineren Mobilisierungserfolge zu
Fehleinschätzungen bei. Die symbolische Großmäuligkeit nährt falsche Hoffnungen
und kann in der Folge wieder für Enttäuschungen sorgen, wenn die
Mobilisierungsfähigkeit einbricht oder das Hotelprojekt problemlos durchgesetzt
wird. Dass sich einige Linke mit zuviel Organisationsarbeit aufreiben, ist
wahrscheinlich noch das geringste Problem, denn sie bzw. wir wissen, was wir
tun. Vielmehr kann eine unreflektierte oder einseitige Orientierung auf eine
Kampagnen- bzw. Bewegungspolitik dazu führen, dass weder eine inhaltliche
Kontinuität erarbeitet wird, noch dass die einmal erarbeiteten Inhalte in die
Tagespolitik eingebracht werden. Werden keine inhaltlichen und damit auch
selbstkritischen Linien erarbeitet, besteht immer wieder die Gefahr, dass diese
von identitären Politikansätzen ersetzt werden. Einen Schritt weiter gedacht,
geht es bei den kleineren oder größeren Mobilisierungen bzw. Bewegungen auch
darum, den unorganisierten AktivistInnen von organisierten Linksradikalen
Ansatzpunkte für einen längeren politischen Atem aufzuzeigen. Sei es, dass
ihnen die Flora oder der Infoladen Schwarzmarkt als Anlaufpunkte näher gebracht
werden, oder dass sie in eine konkrete Demovorbereitung eingebunden werden und
ihnen so auch eine Organisation in Gruppen nahe gelegt wird.
Insgesamt geht es also nicht darum, „keine
Cops und keine Yuppies in unseren Vierteln“ zu dulden, sondern zu zeigen, dass
Standortpolitik für eine "wachsende Stadt" sich weder um die
materiellen Interessen der Betroffenen schert noch deren bürgerliche Rechte
respektiert, sondern diese vielmehr aggressiv den allgemeinen Interessen
kapitalistischer Verwertung unterordnet. Darüber hinaus gibt es notwendige
inhaltliche Anknüpfungspunkte an Proteste in anderen gesellschaftlichen
Bereichen (Neues Hamburger Polizeigesetz, Hartz IV, Sparpolitik im Jugend- und
Frauenbereich oder bei Bildungseinrichtungen). Bei den meisten dieser
Politikfelder geht es um die nackte Existenz, was eine andere Qualität
darstellt als die Auseinandersetzung um einen Turm. Nur sind diese Felder nicht
so symbolträchtig. In diesen Bereichen könnten aber auch Anknüpfungspunkte für
eine Kooperationen mit breiter organisierten Initiativen liegen.
In
diesem Sinne: Raus aus den Vierteln, rein in die Kämpfe gegen den autoritären
Wettbewerbsstaat!
gruppe commode, Februar 2005
(www.gruppe-commode.org)