Rezension des Buches „Lizenz zum
Plündern“ hg. von Maria Mies und Claudia von Werlhof
Von Christian Reichert
(gruppe demontage), Nov. 1999
Der Protest gegen das Multilaterale Abkommen über
Investitionen (MAI) ist mittlerweile eine weltweite Kampagne, die von
unterschiedlichsten Gruppen getragen wird. Das von Maria Mies - Professorin für
Soziologie an der Fachhochschule in Köln und Mitinitiatorin der
Anti-MAI-Kampagne in Deutschland - und Claudia von Werlhof - Professorin für
Frauenforschung am Institut für Politikwissenschaft an der Universität
Innsbruck und Mitbegründerin der Anti-MAI-Kampagne in Österreich -
herausgegebene Buch „Lizenz zum Plündern. Das Multilaterale Abkommen über
Investitionen ‘MAI’. Globalisierung der Konzernherrschaft – und was wir dagegen
tun können“ versorgt die hierzulande Engagierten mit dem nötigen theoretischen
Hintergrund, teilt aber auch ihre Fehleinschätzungen.
Dreiteilig aufgebaut, beschreiben
die Autorinnen im ersten Teil des Buches den weltweiten Widerstand gegen das
MAI, stellen die wichtigsten Vertragsklauseln vor und ordnen das Abkommen in
die jüngere Kapitalentwicklung ein. Dem folgt eine Analyse der weltweiten
ökonomischen und politischen Veränderungen im Falle einer Ratifizierung des
Abkommens - mit besonderem Augenmerk auf die Länder des Trikont und
Deutschland. Im letzten Teil geht es um mögliche Alternativen zum MAI und um
Perspektiven linker Politik. Neben seinem Faktenreichtum ist der Sammelband vor
allem deshalb interessant, weil er einen Einblick bietet in linke Debatten über
Gegenstrategien zu neoliberalen Wirtschaftskonzepten und gegenwärtige linke
Politikmuster. Dabei offenbaren sich grundlegende Fehleinschätzungen der
Anti-MAI-Bewegung über das MAI und über die Prozesse kapitalistischer
Vergesellschaftung, vor denen auch die AutorInnen nicht gefeit sind.
Erstens: Die AutorInnen gehen von
der verschwörungstheoretischen Annahme aus, das MAI sei ein in geheimen
Verhandlungen vorbereiteter qualitativ neuer Angriff des Kapitals. Die
Verhandlungen über das „Geheimabkommen“ waren jedoch gar nicht so geheim. In
der ökonomischen Fachpresse wie etwa der Zeitschrift Transnational Corporations
wurde seit 1995 eine lebhafte Diskussion um die Notwendigkeit und die
Ausgestaltung eines Abkommens über Investitionen geführt. Und auch die OECD
veröffentlichte bereits 1996 erste Entwürfe zu den Vertragstexten in einer
Broschüre.
Zweitens: Zahlreiche Bestimmungen
des vorerst gescheiterten Vertragswerkes sind nicht so neu, wie die AutorInnen
Glauben machen wollen. Auch Regelungen in bezug auf die weitgefaßte Definition
von „Investitionen“ finden sich bereits in verschiedenen bilateralen oder
multilateralen Verträgen wie etwa der NAFTA oder dem MERCOSUR. Sie basieren auf
Leitlinien über die Behandlung von Direktinvestitionen, die die Weltbank
bereits 1992 veröffentlicht hat.
Drittens: Der Band vermittelt
häufig den Eindruck, als wäre das MAI ein Angriff des Kapitals, der im
zeitlosen Raum stattfindet. Das MAI ist aber vielmehr der derzeitige Endpunkt
eines historischen Prozesses, wie Mies im ersten Teil richtig feststellt, „der
seine Anfänge bereits in der Kolonialzeit hatte (und) dessen Grundphilosophie
schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt“ und 1948 im GATT (General
Agreement on Tariffs and Trade) festgeschrieben wurde.
Viertens: Das Buch reproduziert
unkritisch die Annahme, der bürgerliche Nationalstaat sei diejenige Instanz,
die der globalen „Herrschaft der Konzerne“ einen Riegel vorschieben müsse. Der
Aufruf zur Rettung des Nationalstaats verkennt, dass die Bereitstellung guter
Verwertungsbedingungen zu dessen grundlegenden Aufgaben gehört. In
postfordistischen Zeiten sind Konzerne nicht mehr an einen nationalstaatlichen
Rahmen gebunden und siedeln sich überall dort an, wo sie günstige Bedingungen
vorfinden. Die „nationalen Wettbewerbsstaaten“ (Jochim Hirsch) betreiben eine
Standortpolitik im Wettbewerb und tragen somit nicht nur zur Aufrechterhaltung
kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse, sondern auch zur postfordistischen
Transformation des Nationalstaates bei.
Ungeachtet dieser Tendenzen drängt
sich im Buch von Mies und von Werlhof der Eindruck auf, der Kampf gegen die
postfordistische Umstrukturierung und das MAI könne durch den Erhalt des
fordistischen Status Quo gewonnen werden. Viele MAI-GegnerInnen fordern ein
„MAI der Bürger“, das den „Regierungen und Bevölkerungen“ die Möglichkeit geben
soll, „transnationale Konzerne und Auslandsinvestoren zu kontrollieren“,
anstatt sich selbst von diesen reglementieren zu lassen. Aber abgesehen von der
Frage, warum sich eine linke Bewegung den Kopf über die Regulation des Kapitals
zerbricht, entsprechen die Vorschläge auch nicht mehr den gegenwärtigen
Verwertungsbedingungen und greifen auf längst überkommene Politikkonzepte
zurück. Mit ihrer positiven Bezugnahme auf erwünschtes einheimisches Kapital
und der Abgrenzung vom unerwünschten ausländischen Kapital bedienen sie darüber
hinaus unkritisch antisemitische Bilder.
Die beiden Herausgeberinnen sehen
teilweise die Unzulänglichkeiten der Anti-MAI-Bewegung und setzen dem ein
Konzept der „Selbstbefreiung von unten“ entgegen, das auf eine grundlegende
Veränderung der Politischen Ökonomie abzielt. Die von Mies und Werlhof
angeführten Beispiele lokaler Bewegungen etwa in Bangladesch sind jedoch nur
schwerlich auf Industrieländer zu übertragen, wie dies von Teilen der Bewegung
mit der Propagierung MAI-freier Dörfer und Städte versucht wird.
Von linken Ansätzen, die Kategorien wie Volk und Nation
hinterfragen, grenzen sich die Autorinnen hingegen ab. Diesen Linken werfen sie
vor, sie könnten nicht „unbefangen“ über Begriffe wie Nation und nationale
Souveränität sprechen.
In den 70er Jahren propagierte
Maria Mies die Nützlichkeit des dialektischen Verhältnisses von Theorie und
Praxis für die Frauenbewegung. Ob die Einbeziehung bürgerlicher Ansätze und das
Aufwärmen überkommener linker Ansätze die Anti-MAI-Kampagne befruchtet, ist
unwahrscheinlich. Daß die Bewegung die Theorie befruchtet, ist auszuschließen.
Maria
Mies/Claudia von Werlhof (Hg.): Lizenz zum Plündern. Rotbuch-Verlag, Hamburg
1998, 229 Seiten, 24,80 DM