Die Mobilisierung
gegen die Expo in Hannover kommt in Gang. Wir wollen dafür an ein paar
Geschehnisse rund um die linksradikalen und reformistischen Proteste gegen die
Gipfel von Europäischer Union (EU) und den sieben weltmarktbeherrschenden kapitalistischen Metropolen
plus Russland (Weltwirtschaftsgpifel, WWG) vom Sommer 1999 in Köln erinnern.
Wir möchten nicht, dass unter einer Euphorie angesichts der großen Proteste gegen
die WTO-Tagung in Seattle die Erfahrungen aus Köln verschütt gehen.
Anfang Juni fand in Köln ein EU-Gipfel statt. Aus diesem
Anlaß organisierten linke Gruppierungen einen Gegen-Gipfel in Köln. Aufgrund
eines Übergewichts des klassisch antiimperialistischen Spektrums wurden wir als
Gruppe vom Gegen-Gipfel ausgeladen. Von den drei Zusammenhängen, die den
Kongreß vorbereiteten, setzte sich nur das Kölner Anti-EU/WWG-Plenum für uns
ein. Das Argument der anderen beiden KongreßvorbereiterInnen - die Gruppe „Perspektive“ aus Bremen und
der Bundesvorstand der Roten Hilfe - war, daß wir nicht kritisch über die
Politik und Perspektiven von Befreiungsbewegungen diskutieren könnten und auch
nicht über unser Verständnis von Solidarität, wenn diese Bewegungen selbst auch
auf diesem Treffen anwesend wären und gewissermaßen ‚authentisch‘ von ihrem
Kampf berichten könnten. Ein trauriges Beispiel des Ignorierens von
Widersprüchlichkeiten und des Verweigerns einer Debatte, welche die eigene
Sichtweise in Frage stellen könnte. Eine
Kritik an der nationalen Formierung in Deutschland tauchte in den
Konzeptpapieren der Roten Hilfe und der Perspektive für ihre drei Kongreßforen
entsprechend überhaupt nicht auf. Bis auf eine Klammer im Text für das Forum
EU-Imperialismus: „Aus aktuellem Anlaß wollen wir mit VertreterInnen des
kurdischen und palästinensischen Befreiungskampfes diskutieren: welche Bedingungen
hat ihr Kampf, wie sieht der Einfluß der EU (oder der BRD) aus, welche Ansätze
gibt es für einen proletarischen Internationalismus.“[i]
Wenn Kurdistan national von der Türkei befreit werden soll, dann wohl Palästina
ebenso von Israel. Zusätzlich zum Außerachtlassen von nationaler Formierung und
Antisemitismus in der BRD eine zum Widerspruch reizende Position. Zumal in dem
Konzeptpapier für das Forum auch das Konstrukt „Völker“ schöngeschrieben wurde:
„Zugleich schafft die EU auch Möglichkeiten revolutionärer Intervention. Selten
waren die materiellen Interessen der Völker und ProletarierInnen Europas so identisch
in ihrer Gegnerschaft zur EU (bzw. der WWU) wie heute.“
Wir boten an, uns an diesem Forum der „Perspektive“ mit
einem kritischen Koreferat zu beteiligen. Dies wurde nicht gewünscht. Als die
gruppe venceremos aus Berlin und wir dann ein Konzeptpapier für ein „Forum
Antinational“ vorlegten, reagierten „Perspektive“ und Rote Hilfe unzweideutig:
Wenn unser Forum Teil des Kongresses wäre, würden sie ausziehen und sich
woanders treffen. Den VertreterInnen der Befreiungsbewegungen sei es nicht
zuzumuten, mit uns unter einem Dach zu tagen. Im übrigen würden antinationale
Positionen durch ein eigenes Forum zu sehr aufgewertet werden. Das
Konzeptpapier für ein Forum Antinational haben wir aber nicht zerknirscht ins
Altpapier gestopft, denn:
Der Infoladen in Köln Räume organisierte kurzfristig Räume im
Bürgerzentrum Mütze in Köln-Ehrenfeld und ermöglichte so, daß das Forum unter
dem Motto „Last Exit Nation?“ von der Gruppe venceremos und uns mit bis zu 120
Interessierten an stattfinden konnte. Es gab drei Themenblöcke mit Referaten
und Diskussion: Zuerst eine Kritik von Nation als Ideologieform – wie
(Nation-)alismus als Ideologieform wirkt und entsteht. Der weitverbreiteten
These, im „Zeitalter der Globalisierung“ würde der Nationalstaat an Bedeutung
verlieren wurde entgegnet: In den gegenwärtigen gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen wird der jetzt postfordistische Kapitalismus neu ausgehandelt
und umkämpft, und auch der Nationalstaat wird umstrukturiert – aber eben
modernisiert und noch nicht abgeschafft. Anschaulich dargestellt wurde das
anhand der Renaissance des Nationalen am Beispiel der BRD seit den 80er Jahren.
Danach ging es um „Die Ethnisierung des Nationalen: Das Beispiel Jugoslawien“.
Hierbei ging es vor allem darum, das Bild von Jugoslawien als „multinationalem
Sozialismus“ in seiner Eingebundenheit in den kapitalistischen Weltmarkt zu
hinterfragen. In der anschließenden Debatte ging es vor allem darum, wie bei
den Protesten gegen den NATO-Krieg die Falle umgangen werden konnte, die nationalisierenden
Kategorien nicht zu übernehmen: Also weder anti- noch proserbisch zu agieren.
Aus der Auswertung dieser Diskussion entstand der Text „Kein Urlaubsort wo
Völkermord?“. Im dritten Block ging es um eine Kritik der klassischen
Internationalismus-Bewegung: Der positive Bezug auf nationale Befreiung und
Völker und deren
„Selbstbestimmungsrecht“ wurde ebenso hinterfragt wie die Verstaatlichung von
weiten Teilen der Solibewegung in NGOs. Die Diskussion über Ansätze kosmopolitischer
Solidarität kam dann am Schluß etwas zu kurz, weil es für einen Tag ein übervolles
Programm war.
Auf dem offiziellen linksradikalen Kongreß trafen sich etwa
70 Leute. Wie notwendig die Kritik von Antisemitismus Grundlage linksradikaler
Politik sein müßte, zeigte sich dort auf einer Abendveranstaltung zum Thema:
„Antinationale und sozialrevolutionäre Politik und Befreiungsbewegungen – ein
Widerspruch?“. Wir beteiligten uns daran mit Redebeiträgen. Unsere
Argumentation, daß Solidarität hierzulande immer die deutsche Geschichte und
den Nationalsozialismus einbeziehen müsse, erntete heftigen Widerspruch eines
Genossen aus der Antifa-AG Hannover. Er wandte sich gegen einen moralischen
Antifaschismus, der ja gerade auch zum Kosovo-Krieg geführt hätte, und forderte
einen Schlußstrich unter diesen Ansatz. In Italien sei ein Bezug auf Nation für
Linke ja auch kein Problem, vom populo
della siniestra sei dort selbstverständlich die Rede, und die hätten
bekanntlich ja auch Faschismus gehabt.
Im Verlauf einer sich entwickelnden Kontroverse wurde er in
einem Beitrag eines Vertreters der Ökologischen Linken Köln als „Walser von
links“ angegriffen. Das müsse er sich nicht sagen lassen, so seine Erwiderung,
schließlich mache er schon seit 20 Jahren Antifa-Arbeit und er hätte schon
immer gesagt, daß Faschismus schlecht für die Menschen und die Arbeiterbewegung
sei.
Auf unsere Nachfrage, warum er eigentlich immer nur von
Faschismus und nicht von der Shoah und
dem deutschen Nationalsozialismus spreche, gab es Irritationen im Publikum und
Nachfragen, was denn die Shoah sei. Nach einer mehrheitlichen Einigung auf den
Begriff Holocaust entgegnete der
Genosse aus der Antifa-AG schließlich, daß er nicht immer und überall den
Holocaust mitdenken wolle und daß die Kroaten ja schließlich auch 500.000
Serben umgebracht hätten.
Der richtige Einwand aus dem Publikum, daß hier wohl zwei
unterschiedliche Ansätze von Faschismusanalyse aufeinandertreffen würden
(einerseits der Dimitrow‘sche Ansatz im Sinne eines Angriffs auf die
ArbeiterInnenklasse und andererseits ein Ansatz, der die Shoah einbezieht),
wurde nicht weiter aufgegriffen. Auch die Chance, an diesem Punkt ein Defizit
an Auseinandersetzung mit deutscher Geschichte, Shoah und Antisemitismus zu
erkennen, wurde nicht genutzt. Stattdessen wurde uns als Gruppe der altbekannte
Vorwurf gemacht, die Veranstaltung zu sprengen und zu chaotisieren.
In unserer Begrüßung beim Forum „Last Exit Nation?“ in Köln
im Juni 1999 schlugen wir einen Bogen vom Verschweigen des Bitburg-Desasters
bis zur Ausgrenzung unseres Forums aus dem linksradikalen Gegenkongreß zum
EU-Gipfel, um für eine offene Debatte statt für ein Verschweigen von
notwendiger Kritik zu plädieren. Beim Stichwort Bitburg fällt vielen Linken
auch heute noch nichts ein. Als im Mai 1985 der damalige Regierungschef Helmut
Kohl zusammen mit Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof von Bitburg Kränze auf
den Gräbern gefallener SS-Soldaten niederlegte, demonstrierten 1.200 jüdische
Menschen gegen dieses Ereignis. Die hiesige Linke nahm Bitburg zwar zur
Kenntnis, demonstrierte aber zweimal woanders: In Bonn gegen den zeitgleich
stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel, um den herum Reagan mehrere Tage in der
BRD war. Und mit einer militanten autonomen Großdemo wurde Reagan auch bei
seinem Besuch in Westberlin begrüßt. Der Hinweis auf diese Schwerpunktsetzung
linker Politik 1985 provozierte im November 98
bei der Buchvorstellung in Berlin im Rahmen der Mobilisierung gegen die
Kölner EU/WWG-Gipfel eine Gegenrede: Mit unserer beharrlichen Kritik am Versäumnis
der Linken in Bitburg würden wir die damalige Stärke antikapitalistischer
Bewegung schlechtreden und ignorieren, daß die Mobilisierungen zu den Gipfeln
1985, 1988 und 1992 große Erfolge gewesen seien. Warum soll aber deshalb eine
inhaltliche Kritik linker Politik nicht zulässig sein? Um den ohnehin absurden
Vorwurf der Spaltung linker Bewegung kann es rückblickend nicht gehen; bleibt
also nur die Verweigerung einer Aufarbeitung linker Politik und linker Versäumnisse.
Folgerichtig gab es auf ein im Anschluß an die Veranstaltung in Berlin von der
Gruppe venceremos veröffentlichtes Flugblatt zu Bitburg keinerlei Reaktion.
Dies wurde verteilt auf der Folgeveranstaltung zum Thema „Erfahrungsaustausch
aus vergangenen Kampagnen und internationalistischer Arbeit“, wo es aber in der
Diskussion überhaupt nicht aufgegriffen wurde. Ob aus Bequemlichkeit oder weil
es die linke Legendenbildung stört, sei dahingestellt. Bitburg wurde auch bei
keinem anderen Anlaß aufgegriffen. Jüngeren Linken wird so eine geglättete
Version linker Kampagnengeschichte vermittelt und eine Aufarbeitung des
Antisemitismus von links erschwert. Dies trifft sich leider damit, daß viele
antideutsche Linke weitgehend darauf verzichten, ihren Erkenntnisprozeß darüber, wie deutsch die Linke nach 68 war,
und die daraus entwickelte Kritik im Getümmel politischer Kampagnen streitbar
zur Diskussion zu stellen. Ein kleines Beispiel hierfür ist die Schilderung von
Bitburg im Vorwort des Buches
„Goldhagen und die deutsche Linke“. Zum einen wird das eigene politische
Verhalten zu Bitburg nicht thematisiert, zum anderen stellen sie es in ihrer
Schilderung so dar, als ob in Bonn die Friedensbewegung gegen den
Weltwirtschaftsgipfel demonstriert hätte. Dies ist ein Verschweigen der militanten
internationalistischen Solidaritätsbewegungen der 80er Jahre, das für die
Aufarbeitung von linker Geschichte kontraproduktiv ist. Die ’85 aktiven aus der
demontage haben die Anti-WWG-Demo in Bonn mitgemacht und waren auch nicht in
Bitburg. Das die Friedensbewegung der 80er sehr deutsch war, ist teilweise
bekannt. Das auch der militante Internationalismus der 80er gerade trotz seiner
Radikalität überhaupt nicht frei von Fehlern ist, halten wir für die
spannendere Debatte. Zumal der Internationalismus auch mit unserer eigenen
Geschichte zu tun hat, während wir gegenüber der deutschen Friedensbewegung –
soweit wir in den 80ern schon aktiv waren – eine kritische Distanz hatten und
uns zur linksradikalen Anti-Kriegsbewegung zählten.
In welchem Maß die Ausrichtung linker Politik auf Kampagnen
und Großereignisse auf Kosten einer politischen Auseinandersetzung geht, zeigt
die Diskussion um die Kampagne „Erlaßjahr 2000“. Diese Kampagne von klassischen
Großorganisationen wie Kirchen, Parteien und NGOs (Nichtregierungsorganisationen)
bettelte beim G8-Gipfel für die Entschuldung der ärmsten Länder zur Jahrtausendwende,
und um eine stärkere Regulierung der Weltwirtschaft. Die Forderungen sind
reformistisch und eine verharmlosen weltweit herrschende Ausbeutungsstrukturen.
Darüber hinaus beziehen sie sich aber auch noch positiv auf die Entschuldung der BRD als Rechtsnachfolgerin des
III. Reiches beziehen. Der Totalausfall bei der Kritik des kapitalistischen
Weltmarktes wird ersetzt durch Moral, die Ideologie des Wir-sitzen-alle-in-dem-einem-Boot-Erde und das schlechteste aller
Argumente: Wir als Deutsche hätten 1952 doch auch eine neue Chance bekommen.
Das sich-Anbiedern bei sog. Entscheidungsträgern als Deutsche baut auf dem
systematischen Bagatellisieren des Nationalsozialismus zur Schuldenursache auf.
In einer Broschüre der Erlaßjahr-Kampagne heißt es im positiven Bezug auf die
Entschuldung Deutschlands nach dem Ende des Nationalsozialismus: „Die
verbleibenden Schulden erwiesen sich als gut tragbar und ermöglichten eine
solide Finanzplanung (...) Damit war das Londoner Schuldenabkommen ein
wichtiger Baustein für den Wiederaufbau Deutschlands.“[ii]
F. Hütz-Adams, einer der Promoter der Kampagne, ging noch einen Weltkrieg
zurück, als er in einer offiziellen Erlaßjahr-Kampagnen-Broschüre schrieb:
„Ständige Neuverhandlungen, Umschuldungen, die Aufnahme neuer Anleihen und der
Versuch des Deutschen Reiches, die Zahlungen zu umgehen, lähmten Anfang und
Ende der zwanziger Jahre die deutsche Wirtschaft und führten zu einem wirtschaftlichen
Chaos in Deutschland und Europa.“[iii]
So ähnlich hat die NSDAP auch gegen den „Versailler Schandvertrag“ agitiert,
der die Zahlung der Kriegsreparationen von Deutschland an die Siegermächte
festschrieb. Und ab 1933 war es dann in Deutschland ja auch mit dem Chaos
vorbei, oder wie?
In einer Presseerklärung rechtfertigte bereits 1998 die
Lobby-NGO „Germanwatch“ ihre inhaltliche Ausrichtung: „Von Abs lernen – diesen Slogan benutzen wir schon seit längerem“. Was
Abs „für Deutschland herausgeholt“ habe, sei ein „erfolgreiches Modell“.
Hermann Josef Abs leitete bei der Deutschen Bank ab 1938 die Arisierung
jüdischen Vermögens, war ab 1940 im Vorstand der IG Farben, ab 1941
Aufsichtsrat bei der IG Auschwitz, einer Tochterfirma der IG Farben und der SS
zur Überausbeutung der KZ-Häftlinge durch Vernichtung durch Arbeit. Bei den
Entschuldungsverhandlungen ab 1952 boykottierte der Antisemit Abs die
Entschädigungszahlungen der BRD an Israel. So konterkariert die
Erlaßjahr-2000-Kampagne unmittelbar die wichtige Arbeit des Bündnisses gegen
die IG Farben und anderer, welche die längst überfällige Entschädigung für
Zwangsarbeit im Nationalsozialismus fordern. Als das Freiburger
Informationszentrum 3.Welt (iz3W) im August 1998 die Kritik an Abs beim
Hauptinitiatoren der Erlaßjahr-Kampagne Jürgen Kaiser vortrug, rechtfertigte
dieser den Bezug auf Abs mit dessen Rolle als vorbildlicher Chefunterhändler.
Darüber hinaus sei ohne solche Persönlichkeiten keine Massenwirkung für die Kampagne
zu erzielen. Klaus Milke von Germanwatch wörtlich: „Um das politische Umfeld für unsere Forderungen positiv zu
beeinflussen, müssen auch die politischen Entscheidungsträger für das Schuldenthema
sensibilisiert werden. Wir wollen die Ent- und Umschuldung von 1952 ein Stück
personifizieren, um noch mehr Aufmerksamkeit auf die eigene Vergangenheit zu
lenken.“
Zumindest dieses Ziel haben die InitiatorInnen erreicht.
Helmut Schieber, Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank, sprach
sich auf dem Kölner Gipfel für einen Schuldenerlaß aus, da zahlreiche Länder
ihre Schulden eh nicht zurückzahlen könnten. In diesem Zusammenhang erinnerte
er an das Londoner Schuldenabkommen von 1953, in dessen Rahmen Deutschland nach
dem Krieg in einer ähnlichen Lage Schulden erlassen worden seien. Über die Bedingungen
und wirtschaftspolitischen Auflagen für einen Schuldenerlaß müsse jedoch noch
gesprochen werden[iv]. Die
InitiatorInnen der Kampagne jedenfalls feierten den Gipfel als großen Erfolg.
Am 19. Juni 1999 demonstrierten in Köln 10.000 gegen den Weltwirtschaftsgipfel,
am selben Tag wurde für die Erlaßjahr-2000-Kampagne eine Menschenkette um die
Kölner Innenstadt gebildet. Und auf der Abschlußkundgebung der Demonstration
eines breites linken Bündnisses unter Dominanz größerer NGOs sprach
entsprechend ein Vertreter der Erlaßjahr-Kampagne neben fünf weiteren
RednerInnen. Dies war auch kein Geheimnis, sondern auf Flugblatt und Plakat
angekündigt. Es gab keine Störungen, keine Kritik. Wir hatten auf unserem Forum
Antinational am 4. Juni die Kritik am positiven Bezug auf Abs vorgestellt,
einige MitdiskutantInnen schilderten, wie stark die Erlaßjahr-Kampagne in die
linken Bündnisstrukturen eingebunden worden war. Die Kritik wurde beim zwei
Wochen nach dem EU-Gipfel stattfindenden WWG/G-8-Gipfel auf der dortigen Gegenmobilisierung
von niemanden aufgegriffen. Das eine offen mit Antisemiten als Vorbilder
kokettierende Kampagne bei einer internationalistischen Mobilisierung ohne
Störung auftreten kann, ist ein Desaster. In der Medienberichterstattung nach
der Demo kam fast nur die Erlaßjahr-Kampagne vor. Wir sind nicht auf die Anti-WWG-Demo gefahren. Wenn es einen
antideutschen, linksradikalen Block gegeben hätte, der die Erlaßjahr-Kampagne
offensiv kritisiert hätte, wäre das anders gewesen.
gruppe demontage,
Postfach 306 132, 20327 Hamburg.
Dieser Text ist ein für dieses Flugblatt erweiterter Auszug
aus: „Die Linke und ihre Stunde Null - Ein Reisebericht der gruppe demontage“.
Aus dem Sammelband von Willi Bischof/Irit Neidhardt (Hg.): „Wir sind die Guten
– Antisemitismus in der radikalen Linken“, Unrast Verlag.
In diesem Reisebericht beschreiben wir Erfahrungen von
unseren Veranstaltungen zum Buch „Postfordistische Guerrilla“, in bezug auf
Auseinandersetzungen um antisemitische Stereotypen unter Linken.
[i] Anti-EU-/WWG-Info Nr. 8, April ´99, Hg. Linksradikales Anti-EU-/WWG-Plenum Köln c/o Antifareferat im AstA der PH Köln.
[ii] zit. n. Moe Hierlmeier: Zur Kritik der ‚Erlaßjahr 2000‘- Kampagne, in: BUKO (Hg.): kölngehen – Erkundungen zu Globalisierung und Internationalismus, 1999, Hamburg, Selbstverlag.
[iii] ebenda
[iv] FAZ, 19.06.1999