Über Antisemitismus ist bei FSK oft und heftig gestritten worden. Nach dem letzten großen Streit 2000 wurde es im vergangenen Jahr etwas ruhiger, nun ist durch eine von Mitgliedern des „Koordinationskreis gegen staatlichen Rassismus“ und Mitgliedern von „Forumradio“ produzierte migrantische Sendung der Reihe „Afrika, Asien, Lateinamerika In-Kontakt“ (IK) im April 2002 der Konflikt erneut ausgebrochen. Same procedure as every year? Im Prinzip ja, aber...
Auslöser des Konfliktes waren Äußerungen eines Vertreters der palästinensischen Community in einem Interview mit einem deutschen Moderator:
„Als eine Synagoge in Düsseldorf von zwei Dummköpfen mit Molotov- oder mit Steinen (ich weiß nicht) angegriffen wurde, hat der Vorsitzende der palästinensischen Gemeinde in Deutschland einen langen Brief an Herrn Spiegel geschrieben, der Vorsitzende, glaube ich, der jüdischen Gemeinde in Deutschland, wofür er sich entschuldigt hat, dass Araber, ich weiß nicht, einer hat sogar einen deutschen Paß, so eine Schandtat gemacht haben. Ich vermisse aber, dass der Herr Spiegel klare Worte gegen die israelische Besatzung, gegen die israelische Ermordung von Zivilisten, gegen die israelische Armeepraxis, (...) [ausspricht].“ „Und ich weiß es nicht, es nützt gar nichts, immer daran festzuhalten: der Holocaust, der Holocaust. Der Holocaust war ein Verbrechen, durch das sechs Millionen Menschen, unschuldige Menschen ermordet wurden. Aber es werden jetzt andere Menschen ermordet. Es wird nicht durch eine Art technisierte Prozedur gemacht wie damals bei den Nazis gegen Juden und die anderen Oppositionellen, aber trotzdem, es werden Menschen ermordet, Land wird besetzt. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen den Kämpfen im Warschauer Ghetto damals gegen die Nazis und die Kämpfe in Djenin oder in irgendeinem anderen Flüchtlingslager in der Gegend. Es sind also Leute, die von einer Übermacht umzingelt sind und die kämpfen um ihr eigenes Überleben ...“ Moderator: „Ja, und auf jeden Fall in beiden Fällen muß man gegen das Unrecht aufstehen und Widerstand leisten.“ (Beide Zitate sind dem Text „Antisemitismus im FSK – Transparenzversuche“ entnommen; www.fsk-hh.org).
Die VerfasserInnen des Papiers „Antisemitismus im FSK – Transparenzversuche“ von Radio Loretta, Stadtteilradio und UniRadio goes Academic Hardcore haben ausführlich dargelegt, dass in den zitierten Passagen nicht nur antisemitische Anschläge verharmlost und jüdische Mitbürgerinnen als Stellvertreter für Israel begriffen werden, sondern vor allem die Singularität der Shoa geleugnet wird (siehe www.fsk-hh.org).
Die AnbieterInnengemeinschaft (AGB, höchstes beschlußfassenden Gremium von FSK) einigte sich darauf hin Anfang Juni mehrheitlich auf eine vierwöchige Aussetzung der IK-Sendungen, damit die Problematik diskutiert werden kann.
Nach dem Aussetzungsbeschluss durch die ABG eskalierte der Konflikt. Zunächst setzte „In-Kontakt“ sich über den Beschluss hinweg und ging erneut auf Sendung, eine Woche später wollten einige FSK-AktivistInnen eine weitere „In-Kontakt“-Sendung durch eine Sitzblockade auf der Studiotreppe verhindern. Sie wurden von einer Gruppe von IK-UnterstützerInnen beschimpft und geschlagen, ein FSK Redakteur wurde von mehreren IK-Unterstützern zusammengeschlagen. Gegen mehrere IK-Mitglieder und UnterstützerInnen wurden daraufhin Hausverbote im FSK ausgesprochen. In einer etwas hilflos wirkenden Erklärung von Radio Loretta, Academic Hardcore und Stadtteilradio wurden 3 Personen, die bei dieser Aktion anwesend waren, namentlich genannt, was mittlerweile in einer erneuten Stellungnahme der drei Radioredaktionen als Fehler reflektiert wurde.
Radio Göçmen und Voz Latina haben aus Protest gegen die aus ihrer Sicht „rassistische Ausgrenzung“ von MigrantInnen im FSK, die sich in den Hausverboten und dem Sendeverbot zeige, ihre Sendungen offiziell eingestellt, senden aber in unregelmäßigen Abständen weiter. Radio St. Paula sendet gegenwärtig als einzige Redaktion nicht. Radio St. Paula kritisiert die zitierten Äußerungen als antisemitisch, sieht allerdings die Eskalation des Konflikts eher in den strukturellen Defiziten von FSK begründet (siehe das Papier „Es lebe die Mehrheit“, www.fsk-hh.org).
Das Einfordern einer inhaltlichen Auseinandersetzung um Antisemitismus in einem linken Projekt ist legitim und notwendig. Vor dem Hintergrund der innerlinken Debatten der letzten Jahre, die dieses Jahr insbesondere in der Berliner Szene weiter eskalierten, ist es kein Zufall, dass es gerade beim Thema Israel/Palästina zu einem solchen Konflikt kommt. Denn nach wie vor wird die Beschäftigung mit Antisemitismus unter Linken von vielen abgeblockt. Wer sich als Linke/r ernsthaft mit Israel und Palästina beschäftigen will, kommt an einer Auseinandersetzung mit Antisemitismus nicht vorbei.
Die „offizielle“ gesellschaftliche Debatte in Deutschland um die Al-Aksa Intifada ist von offen antisemitischen Ressentiments bis hin zu antisemitischen Übergriffen und Anschlägen geprägt. Zudem wird das Thema im Wahlkampf gezielt dazu genutzt, diese Ressentiments für eine eigene Profilierung zu mobilisieren, und dies nicht nur von Blüm, Möllemann und Karsli. Diese Entwicklung zu bekämpfen, ist eine wichtige Aufgabe der radikalen Linken in Deutschland.
Ein Verständnis und eine Analyse des Konfliktes in Israel/Palästina ist ohne eine Auseinandersetzung mit der Shoa und der Geschichte des Antisemitismus nicht ausreichend, insbesondere vor dem Hintergrund der Geschichte des linken „Antizionismus“.
In der schon fast ritualhaften Abwehr dieser Auseinandersetzung in bestimmten politischen Kreisen wird immer öfter mit beleidigtem Gestus versucht, die inhaltliche Kritik als Vorwand zu denunzieren, die eigene Position mundtot machen zu wollen. Dabei beschränkt sich die Argumentation oft darauf, als „Linke/r“ und Antifaschist/in überhaupt „nicht antisemitisch sein“ zu können, was kompletter Unsinn ist. So würde heute zum Beispiel keine/r mehr abstreiten, dass linke Männer durchaus sexistische Gewalt ausüben können und es auch immer wieder tun, oder dass linke Menschen rassistische Ausgrenzungsstrukturen reproduzieren. Warum sollte nun allein ein Selbstverständnis als „radikale/r Linke/r“ dazu führen, mit gesellschaftlich vermittelten antisemitischen Mustern nichts zu tun haben zu können?
Diese Strategie des Umgangs mit Konflikten, die Verweigerung einer inhaltlichen Debatte, ist wohlbekannt und wenig hilfreich für eine Klärung der offenen Fragen. Dies gilt auch für die in der Auseinandersetzung erhobenen Zensurvorwürfe. Der Aussetzungsbeschluss der ABG ist in den Augen der kritisierten Redaktionen Zensur politisch unliebsamer Positionen. Das ist albern und scheinheilig und führt zu einer Verwässerung des Zensur-Begriffes. Die Zensurvorwürfe sind fast so alt wie FSK selbst und werden in aller Regel aus Mangel an politischen Argumenten erhoben.
Um nicht über Antisemitismus in der Linken reden zu müssen, werden jetzt erneut Zensurvorwürfe gegen die FSK-Mehrheit vorgebracht: „Radio Maulkorb“ lautete etwa eine Artikelüberschrift zum Konflikt von Birgit Gärtner in der „jungen Welt“ vom 6. Juli. Ihr Text erschien auch in den „Lokalberichten Hamburg“ (Nr.14, 11.07.2002). Der eigentliche Anlaß für den Konflikt wird dort zur Nebensache. Thema ist die Stilisierung der IK Sendegruppe zu Opfern antinationaler Zensur. Nebenbei bemerkt: Sich über innerlinke Zensur in der „jungen Welt“ aufzuregen, aus der 1997 von der Geschäftsführung dreiviertel der Redaktion rausgeschmissen wurden, weil sie für antinationale und nicht für traditionslinke Positionen eintraten, ist ein wenig absurd.
Aber auch dort, wo das politische Umfeld von IK in Hamburg dominiert, sind antinationale Linke unerwünscht: Das linke Zentrum B 5 in der Brigittenstraße, in dem sich antiimperialistische, internationalistische Traditionslinke und auch der antirassistische Koordinationskreis treffen, aus dem einige RedakteurInnen der IK Sendegruppe kommen, bietet keineswegs allen linksradikalen Strömungen ein Forum. Im Gegenteil. Einige linksradikale (antinationale) Gruppen etwa sind explizit „unerwünscht in der B 5“ und es wurden in der Vergangenheit Plakate abgenommen, weil auf ihnen zur Solidarität mit Israel aufgerufen wurde.
So sind die vermeintlichen Zensuropfer an anderer Stelle ihrerseits auch nicht eben zimperlich, wenn es darum geht, unliebsamen Positionen das Wasser abzugraben.
FSK wäre ein anderer Radiosender, wenn die politischen FreundInnen von IK dort die Mehrheit hätten. In aller Deutlichkeit vorgetragen wurde dies bei einer ihrer Protestkundgebungen auf dem Hamburger Schulterblatt gegen die FSK-Mehrheit. Ein deutscher Redakteur von IK erklärte in einer Rede, bei FSK gäbe es Leute, die Israel unterstützen. Diese Leute müssten isoliert und entmachtet werden, damit wieder linke Politik gemacht werden könne.
Während die Strategien der Abwehr einer Auseinandersetzung wohlbekannt erscheinen, weisen die Formen der Austragung des Konflikts durchaus neue Qualitäten auf. Politische Widersprüche gewalttätig auszutragen ist der Abschied von jeglicher aufklärerischen Tendenz. Wer das Faustrecht nutzt, will nicht überzeugen, sondern einschüchtern und besiegen.
Dennoch war das öffentliche, namentliche Outing von Beteiligten durch Teile der ABG ein Fehler. Personen, die sich als Linke verstehen, können daraus Nachteile entstehen bis hin zu staatlicher Repression. JedeR sollte selbst entscheiden, ob sie/er öffentlich mit dem eigenen Namen für etwas einstehen will oder nicht. Namensouting ist ein Druckmittel, das gegen Spitzel, Nazis und Vergewaltiger angewandt wird, aber nicht im Meinungsstreit unter Linken.
Stattdessen sollten in solchen Fällen die politischen Gruppen in die Verantwortung genommen werden, von deren Mitgliedern die Prügelei ausgegangen oder unterstützt worden ist. Mit Gruppen, die sich von solchen Auseinandersetzungsformen nicht distanzieren, sehen wir keinerlei Basis für eine Zusammenarbeit, nicht bei FSK und auch nicht anderswo.
Von Seiten der FSK-Mehrheit gibt es mittlerweile eine Selbstkritik am Namensouting. Auch die „Zeck“, Info des linken Stadtteilzentrums Rote Flora, welche die Erklärung mit den Namen abdruckte, veröffentlichte als Flugblatt „eine vernichtende Selbstkritik“, und verordnete sich eine Auszeit von drei Monaten, um sich zu reorganisieren. Ein weiteres nebenbei: wir hoffen inständig, dass dies von der Zeck-Redaktion nicht zum Anlaß genommen wird, ihre unverzichtbare Arbeit einzustellen.
Was fehlt, ist die Selbstkritik von IK und FreundInnen.
Stattdessen bemühte einer der drei in der FSK-Erklärung Geouteten eine linke
Anwältin, um es der FSK-Mehrheit juristisch untersagen zu lassen, die Namen in
der Erklärung zu nennen. Statt auf den Versuch einer Klärung unter Linken
setzte diese Person lieber gleich auf die Mittel der bürgerlichen Justiz.
Im aktuellen Konflikt verweisen IK, Forum-Radio, Voz Latina und Radio Göçmen nun ihrerseits darauf, dass der Kern des Konflikts ihrer Meinung nach ein rassistisch motivierter Ausgrenzungsversuch durch die FSK-Mehrheit sei. Sie verlangen unter anderem eine Auseinandersetzung in und um FSK zu diesem Problem. Auch diese Forderung besonders innerhalb eines linken Projektes ist legitim. MigrantInnen sind in Deutschland täglich mit rassistischer Ausgrenzung konfrontiert, und auch linke Projekte konstituieren sich nicht jenseits gesellschaftlicher Verhältnisse. Somit können auch bei FSK interne Prozesse rassistische Diskriminierung reproduzieren. Die Erklärungen und Anschuldigungen von IK und anderen halten wir aber in diesem Konflikt für vorgeschoben. Sie bestätigen unseren Eindruck, dass es bei IK, Forum-Radio und ihrem politischen Umfeld kein Interesse gibt, sich der inhaltlichen Kritik zu stellen.
Einige Mitglieder von Stadtteilradio, Academic Hardcore und Radio Loretta haben in einer „Antwort auf das Papier: ’Rassismus im Freien Sender Kombinat’ von Voz Latina und Radio Göçmen vom 16.7.2002“ treffend einen falsch verstandenen Antirassismus kritisiert, der durch eine kritiklose Zustimmung zu migrantischen Äußerungen und Forderungen jegliche emanzipative Substanz verliert. „Kritik ist“, so schreiben die VerfasserInnen, „aber keine Praxis, die sich über jemanden stellt, sondern neben jemanden, eine Praxis, die den anderen ernst nimmt und deshalb notwendig zu einer und in eine Diskussion um emanzipatorische Politik gehört. Antirassistische Praxis kann nicht sein, die anderen als die Anderen zu konstruieren und sie auf Grund ihres „Andersseins“ nicht zu kritisieren. Vielmehr muss eine antirassistische Praxis eine Praxis der gegenseitigen Kritik und Auseinandersetzung sein. Es ist nicht emanzipatorisch, rassistische, sexistische, antisemitische oder heterosexistische Inhalte auf Grund einer falsch verstanden Solidarität nicht zu thematisieren. Dies reproduziert nur
diese Formen der Ausgrenzung auf mehren Ebenen.“ (www.fsk-hh.org)
Aus unserer Sicht ist diese Entwicklung der Ausdruck eines schon länger stattfindenden Zerfallsprozesses der radikalen Linken, die sich unter dem Druck ihrer gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit und aufgrund ihrer eigenen Kommunikationsunfähigkeit selbst zerfleischt. An diesem Prozess waren in den letzten Jahren zwei Fraktionen maßgeblich beteiligt, die sich durch das permanente Insistieren auf Polarisierungen, Polemiken und Abgrenzungen bei der Zerstörung einer emanzipativen Linken besonders hervorgetan haben.
Auf der einen Seite finden wir Teile der klassischen antiimperialistischen Soliszene, deren ProtagonistInnen sich durch ihr Desinteresse an inhaltlicher Auseinandersetzung auszeichnen. Das verbindet sich mit einem um so krampfhafteren Klammern an alte Wahrheiten, deren Erklärungskraft sich längst erschöpft hat. Es ist immer wieder ernüchternd, festzustellen, dass viele Beiträge, Positionen und politische Initiativen von sich als internationalistisch verstehenden Linken vor allem dadurch glänzen, dass sie Veränderungen und Entwicklungen der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse und der politischen Rahmenbedingungen konsequent ignorieren. In den Verlautbarungen der „klassischen“ Soliszene zum Krieg in Israel/Palästina beispielsweise tauchen die qualitativen Veränderungen der palästinensischen „Nationalbewegung“ nicht auf. In dieser spielen inzwischen radikalislamistische Gruppierungen wie Hamas und Djihad eine dominierende Rolle, die mit linken oder emanzipatorischen Ideen nichts zu tun haben. Das Kampfbündnis mit diesen Gruppen wie auch die strategischen Ziele der sogenannten Al-Aksa-Intifada sind kein Thema kritischer Reflexion. „Palästina, Dein Volk wird Dich von Juden befreien...“
Auch scheinen alle Diskussionen um die Leerstellen internationalistischer Solidaritätsarbeit an manchen völlig vorbeizugehen. Die allgemeine Entwicklung nationaler Befreiungskämpfe hin zu rein volksbezogenen Bewegungen werden genauso ausgeblendet wie die Funktionalisierung dieser Bewegungen als Projektionsfläche für revolutionäre Traumreisen einer ohnmächtigen und bedeutungslosen Metropolenlinken. Statt dessen wird an alten Schwarz-Weiß-Schemata festgehalten und der Versuch kritischer Reflexion als Entsolidarisierung denunziert. Dies nützt internationalistischer Arbeit am wenigsten.
Auf der andere Seite sind einige ehemals antideutsche Linke nur noch damit beschäftigt, sich auf Kosten ihrer GenossInnen das Rückfahrticket in den Schoß der Metropolengesellschaft zu sichern. Diese sich selbst als radikale KritikerInnen der gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland dünkenden Linken sind selbst zu einem Teil des rassistischen Mainstreams geworden. Ihr Beharren, sich weiter kritisch auf die geschmähte Linke zu beziehen, hat scheinbar nur noch den Hintergrund, ohne diese Linke beschäftigungslos zu sein. Schließlich werden sie trotz aller Solidaritätsbekundungen mit der Kriegstreiberei der imperialistischen Regierungen in Westeuropa und den USA noch nicht mal dazu gebraucht, als deren Bündnispartner im Kampf gegen „die Achse des Bösen“ eine potenzielle Opposition zu neutralisieren.
Während sich diese beiden zahlenmäßig eher marginalen Fraktionen inhaltlich exponieren und dadurch linke Debatten und linke Streitkultur beeinflussen, verhält sich eine breite Mehrheit politisch interessierter und aktiver Menschen eher indifferent. Inhaltliche Beliebigkeit ist eine verbreitete Grundhaltung in politischen Auseinandersetzungen geworden. Dies spitzt politische Kontroversen auf die Positionen der Exponiertesten zu und mißt Aussagen sektiererischer Gruppierungen eine Bedeutung bei, die sie real nicht haben.
Unser Eindruck ist, dass die Eskalation der Auseinandersetzung im FSK viel mit Reflexen auf diese Konstellationen zu tun hat. Kritik wird schnell personifiziert, Personen in Schubladen gesteckt. Aus den vorangegangenen Auseinandersetzungen und Konflikten hat sich offensichtlich nichts entwickelt, jede Kritik am Antisemitismus unter Linken scheint an Ignoranz und vermeintlicher Nichtigkeit abzuperlen. Und dies nicht nur bei IK, sondern auch bei weiten Teilen von Forum-Radio. Das mag im Alltag des allgemeinen Nebeneinanders im FSK eine Zeit lang verborgen bleiben, fällt einem so heterogenen Projekt aber in dieser zugespitzten Situation um so mehr auf die Füße, und damit der radikalen Linken in Hamburg allgemein.
„Freies“ Radio existiert nicht jenseits gesellschaftlicher Verhältnisse und Widersprüche. „Freiheit“ bedeutet in diesem Sinne nicht mehr und nicht weniger als frei von Setzungen bürgerlicher Sichtweisen und setzt aber gleichzeitig ein hohes Maß an Reflexion und emanzipativer Streitkultur voraus. Die gegenwärtigen Formen der Auseinandersetzung bzw. der Verweigerung von Debatten sind zutiefst bürgerlich und haben in einem „Freien“ Radio keinen Platz.
gruppe demontage, August 2002
www.demontage.org